Kai Meyer hat mit seinen
Fantasy-Sagas ein Millionenpublikum erreicht, seine Bücher wurden in dutzende
Sprachen übersetzt und er hat die literarischen Vorlagen zu mehreren
Spielfilmen geliefert. Er hat Fans auf der ganzen Welt.
Hallo Kai, vielen
herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit nimmst mir hier ein paar Fragen zu
beantworten.
Ich weiß, dass Du
zu den sehr wenigen deutscher Bestsellerautoren gehörst, die sich dazu
entschlossen haben, einige ihrer Backlisttitel auch selbst zu publizieren. Das
allein wäre ja schon einen Blogpost wert.
Aber Du stellst
es ja ein wenig anders an, als zum Beispiel Akif Pirinçci oder Andreas
Eschbach, die sich ganz allein in die neue wilde Welt des Selfpublishing
begaben. Berichte doch einmal kurz über das Projekt MiMe, das Ebook- Label,
unter dem Du Deine Backlisttitel jetzt veröffentlichst.
Tatsächlich habe ich gerade auch zum
ersten Mal einen Text in Eigenregie bei Amazon online gestellt, eine
Kurzgeschichte mit dem Titel „Drachenreigen“ Bis zum 29. Juli ist der Download
noch kostenlos, danach bleibt der Preis unter einem Euro.
Was MiMe angeht: Unter diesem Kürzel
fungiert die Agentur Michael Meller – also mein Agent – als eigener
E-Book-Verlag. Wobei er meines Wissens nur Autoren veröffentlicht, die ohnehin
bereits bei ihm unter Vertrag stehen. Meine Bücher sind sein erster
Versuchsballon. Die beiden ersten laufen bislang recht ordentlich – im Rahmen
deutscher E-Book-Verhältnisse –, in diesen Tagen kommen gerade die nächsten
acht Titel dazu.
Um ehrlich zu sein war es zunächst eine
Entscheidung aus Bequemlichkeit, die Backlist-Titel über MiMe zu
veröffentlichen. Der Zeitaufwand ist ja doch nicht ohne, vor allem wenn die
Texte noch konvertiert werden müssen. Die Alternative wäre, gleich zu Anbietern
wie Bookwire zu gehen und sie alles Nötige machen zu lassen. Ich probiere
derzeit einfach mal ein wenig herum, um hoffentlich dann, wenn E-Books auch bei
uns eine größere Rolle spielen, gut vorbereitet zu sein und genau zu wissen,
was zu tun ist.
Worin bestand die
Hauptmotivation diesen Weg zu beschreiten? Ging es dabei nur um’s Geld? Müssen
sich Deine Fans etwa Sorgen um Kai Meyers Einkünfte machen? Bist Du gezwungen
demnächst kellnern zu gehen, falls Deine Ebooks sich wider Erwarten nicht gut
verkaufen?
Ich glaube nur an wenige von diesen
E-Book-Erfolgsgeschichten, die man derzeit ständig zu hören bekommt. Nicht jede
hochgeladene Datei wird gleich ein „Shades of Grey“. Und ich lebe nach wie vor
sehr gut von meinen gedruckten Büchern, der neue Roman erscheint im Dezember
wieder als Hardcover im Carlsen-Verlag – und dort gehört er auch hin. Ich werde
sicher weiter experimentieren, auch mal mit Originaltexten, aber die Direktveröffentlichung
eines ganzen Romans von 400, 500 Seiten als E-Book sehe ich derzeit für mich
noch nicht.
Wie sah die
Reaktion Deines Verlages darauf aus, dass Du jetzt bei MiMe veröffentlichst?
Gab’s womöglich einige lange Gesichter in den Lektorenkonferenzen?
Keine Ahnung, ich sitze ja nicht in
Lektorenkonferenzen. Aber die Bücher, die jetzt bei MiMe erscheinen, sind alle
bereits in zwei, meist sogar drei Verlagen veröffentlicht worden, teils mit
Hardcover-Vorlauf. "Der Schattenesser" etwa ist erst bei Aufbau im HC erschienen,
dann zweimal bei Heyne und ein drittes Mal bei Bastei-Lübbe als Taschenbuch.
Die dürften alle daran verdient haben, was es eben zu verdienen gab. Zuletzt
habe ich einfach die Rechte wieder eingesammelt und bringe sie jetzt als E-Book
auf den Markt. Das scheint mir derzeit die natürliche Verwertungskette zu sein.
Siehst Du auch
Gefahren im Selbstpublishing (übrigens ein furchtbares Wort, das sich
allerdings wohl leider durchsetzen wird)?
Die Gefahren sind kein Geheimnis: Zum
einen könnten sich die Leser an die niedrigen Preise gewöhnen, zum anderen mag
der eine oder andere nicht mehr erkennen, wo die Qualitätsunterschiede zwischen
einem professionell lektorierten Hardcover und einem selbstpublizierten
2,99-Euro-E-Book liegen. Im Augenblick habe ich aber den Eindruck, dass die
erfolgreichen E-Books in Deutschland vor allem den Heftroman ersetzen:
preiswert, Genre, mal eben so in der U-Bahn weg gelesen.
Du wirst ja mit
Deinen MiMe-Titeln den umgekehrten Weg gehen – vom Verlag heraus, in die
Indieszene. Die meisten Indie-Kollegen, ob erfolgreich oder weniger
erfolgreich, hoffen ja eher darauf, dass sie mit ihren Werken von einem der
großen Verlage entdeckt und veröffentlicht werden.
Und bei wie vielen hat das funktioniert?
Die Zahl ist ja noch recht überschaubar. Ich glaube auch nicht, dass sich die
Verlage einen Gefallen damit tun, jedes halbwegs gut gehende E-Book zwischen
zwei Buchdeckel zu drucken. Am Ende kann man nur hoffen, dass sich Qualität
durchsetzt. Die eher nicht so tolle Variante wird es weiterhin geben, aber da
wären wir dann wieder beim Vergleich mit dem Heftroman – den hat es auch immer
gegeben und er hat weder Hardcover noch Taschenbücher verdrängt. Das Merkmal
„Billig“ wird immer manche Leute überzeugen – man muss ja nur in die
scheußlichen Fleischtheken der großen Supermärkte schauen –, aber guter
Literatur wird das letztlich weder gedruckt noch digital gefährlich werden.
Würdest Du einem
jungen Kollegen raten, es zunächst einmal damit zu versuchen bei einem guten Verlag
unterzukommen, bevor er/ sie seine / ihre Titel als Indie veröffentlicht?
Nach heutigem Stand der Dinge würde ich
immer und auf jeden Fall dem Verlag den Vorzug geben. Autoren sollen und wollen
wohl auch in erster Linie schreiben und sich nicht um Marketing und Vertrieb
kümmern müssen. Ich habe gerade im Schnelldurchgang mehrere Ratgeber zum Thema
Selfpublishing gelesen und das ist grundsätzlich ja auch alles gut und schön –
aber wenn man wirklich alles so macht, wie es dort geraten wird, dann kommt man
kaum noch dazu, wirklich gründlich und konzentriert eine gute Geschichte zu
erzählen.
Drachenreigen, Kai Meyers Shortstory bei Amazon.de
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