Literaturagenten haben ja, ganz besonders unter den Nachwuchsautoren, einen
geradezu mythischen Ruf. Fast könnte man sie als Einhörner bezeichnen. Also
Wesen, die man nur sehr selten beobachten kann und mit denen man als
Nachwuchsautor noch seltener ins Gespräch kommt.
Woran liegt’s?
Sind Sie tatsächlich so furchtbar scheu, ist
es wirklich derart schwierig mit Ihnen in Kontakt zu kommen, wie das so mancher
Blogpost und Kommentar in den einschlägigen Autorenforen suggeriert?
Was glauben Sie, wie schnell wir sind, wenn wir ein gutes Manuskript in die
Hände bekommen?
Nein, mal im
Ernst: Wir prüfen etwa 1000 Manuskripte im Jahr, mehr als 95% sind leider so,
dass sie für die großen und mittleren Verlage, mit denen wir in der Regel
arbeiten, nicht in Frage kommen.
Da wir nun mal
nicht jede Ablehnung kommentieren können, denn begründete Absagen sind sehr
arbeitsaufwendig, mag es manchem so erscheinen, dass wir Agenten schwer
greifbar sind. Was uns bisweilen traurig stimmt, sind jene Manuskripte, die wir
zwar gut finden, bei denen wir aber ahnen, dass sie aus irgendwelchen Gründen
schwer vermittelbar sind.
Oft sagen oder
schreiben wir der Autorin / dem Autor auch: Bitte probieren Sie es selbst, bei
den kleineren unabhängigen Verlagen, manchmal geben wir Tipps.
Insgesamt gilt
aber, und das zeigt, dass wir nicht scheu sind: Von den etwa 40 bis 50 Autoren,
die wir betreuen, vertreten wir einen Großteil seit ihrem ersten Manuskript:
Die Bestsellerautoren Jan Costin Wagner, Mia Morgowski, Stephan Thome, Alina Bronsky, Rita Falk, um nur einige zu nennen, kamen mit ihrem ersten Manuskript
zu uns.
Georg Simader - Agent im Dienste ihrer Majestät des Buches
Es
hat sich seit letztem Jahr ja so einiges in der Buchwelt getan; Stichwort:
E-Books. Wie sehen Sie aus Ihrer professionellen Sicht als Agent diese
Entwicklung?
Bringt sie Schaden, ist sie womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder
womöglich schlicht irgendetwas dazwischen?
Egal ob Segen oder Fluch: Dass sich das E-Book etablieren wird, ist
hochwahrscheinlich. Das ist wie mit CD und mp3, beide gibt es.
E-Books werden
sich, das ist zu erwarten, in einem bestimmten Segment sehr stark entwickeln.
Ich nenne diese Buchsparte "Wegleseliteratur".
Für mich ist das
der einfache Krimi, das unterhaltsame Frauenbuch, die humorvolle Unterhaltung,
der übersichtliche Reiseratgeber, also alles, womit man sich und seine
Bibliothek nicht unbedingt füllen will.
Alle diese Bücher
dürften mehr und mehr Konkurrenz durch das E-Book bekommen. Doch die
handwerklich schön gemachten Bücher, mit Lesebändchem und hübschem
Vorsatzpapier, mit liebevoll gestaltetem Schutzumschlag, mit Sätzen, die man
immer und immer wieder lesen will, die werden bleiben.
Für das einfache
Taschenbuch wird's also schwerer. Das schon mal vorab.
An sich wäre das
ja noch keine sonderlich tragische Entwicklung, doch zum Fluch könnte sich das
E-Book entwickeln, wenn nur noch wenige Global player den Markt beherrschen.
Schon heute hat Amazon mit seinem Kindle die Nase ganz weit vorne.
Sollten etwa die
Kollegen aus Seattle (Amazon.com) in Deutschland Marktmonopolisten werden, und
das ist ihr Bestreben, werden die großen Printverlage ins Schwitzen geraten,
denn dann ist klar, wer die Vertragskonditionen bestimmen wird.
Schlimmer und
gefährlicher aber noch: Wenn sich das E-Book bei den Mass-Market-Büchern
durchsetzt, dann wird, worst case szenario, Amazon just zu diesen Autoren gehen
und sagen: Was braucht ihr Autoren einen Buchhandels-Vertrieb? Was braucht ihr
Werbung in den Buchhandlungen?
Hier gibt's das Internet,
hier gibt's uns, hier habt ihr die Werbung. Wollt ihr 10 Prozent pro Buch
verdienen und bei den konventionellen Verlagen bleiben? Oder wollt ihr 40
Prozent und mehr?
Sollte ein Domino-Effekt einsetzen und sich Autoren von Stephen King bis J. K. Rowling von den konventionellen Printverlagen verabschieden, dann haben just
diese Verlage keine Möglichkeiten mehr, die "kleinen" Autoren zu
finanzieren.
Amazon ist zwar
ein kundenorientiertes, aber auch ein extrem profitorientiertes Unternehmen,
mit für mich nicht sichtbarem Interesse an der Vermittlung oder Förderung
irgendwie gearteter kultureller Werte.
Konventionelle
Printverlage, sprich: alteingesessene Häuser, investieren in Talente, bieten
oftmals akzeptable Vorschüsse, ermöglichen also zu schreiben, pflegen den
literarischen Nachwuchs.
Nehmen wir
beispielsweise zwei Häuser, stellvertretend für viele seien der Dtv und S.
Fischer genannt. Beide Verlage produzieren Unterhaltung UND Hochliteratur.
Klar ist: Mit
einem jungen literarischen Debütanten ist in der Regel viel weniger Geld
verdient als mit einem bayerischen Regionalkrimi. Wandert der Provinzkrimiautor
ab, kann der junge (hoffentlich sich irgendwann einmal durchsetzende) Literat
nicht mehr finanziert werden.
Die Basis bricht
weg.
Äußerst fraglich ist, sollte es den konventionellen Verlagen an den Kragen
gehen, ob sich je reine E-Book-Verlage entwickeln, die einer Mischkalkulation
folgen wollen.
Self publishing, sagen jetzt bestimmt viele, könnte ja auch für die jungen
Autoren die Alternative sein.
Ist sie aus
vielerlei Gründen nicht immer!
Das fängt beim
begleitenden Lektor an und hört bei der Umschlaggestaltung auf. Die Spreu vom
Weizen zu unterscheiden, das dürfte schwerer werden, und wird erst dann wieder
einfacher, wenn sich im Internet Firmen entwickeln, die für ein Höchstmaß an
Qualität bürgen.
Ansätze gibt es
hier zweifelsohne, ich verfolge zum Beispiel gerade mit Interesse die
Aktivitäten von dotbooks. Doch wohin in diesem Segment der Hase läuft, ist noch
nicht abzusehen.
Wolfgang
Tischer vom literaturcafe.de
sieht mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren
Licht. Sie ebenfalls?
Gefährdet sehe ich Teile des stationären Buchhandels, nämlich die so genannten
Filialisten wie Thalia, Hugendubel etc.
Wenn sich die
Filialisten nicht anstrengen, nicht ihr Publikum beispielsweise durch Lesungen
und gute Beratung an sich binden, sich auch um die kleinen Verlage, die
Independents sorgen, dann dürfte es noch schneller bergab gehen.
Denn Bestseller
ohne wirkliche Beratung verkaufen und austauschbar sein, das kann das Internet
auch.
Die kleine, gut
geführte Stadtteilbuchhandlung hingegen, die könnte sich halten. Denn lieben
wir sie nicht alle, die persönliche Beratung und die Frage:
"Lieber Herr
XY, Ihnen hat doch Roman A so gut gefallen, ich hätte da was Ähnliches für
Sie."
Ganz furchtbar
allerdings wird's, wenn die Buchpreisbindung fällt: Die weit verbreitete
Geiz-ist-geil-Mentalität der Deutschen dürfte dann auch den Kleineren den
Garaus machen, denn nichts ist unseren Landsleuten lieber als das Schnäppchen.
Unter vielen Autoren, ob
arriviert oder noch Anfänger, herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein
könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von
den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von
vornherein ausschließt. Ist da etwas dran? Würden Sie selbst einen
erfolgreichen Indie-Autor in Ihre Klientenliste aufnehmen?
Klar würden wir einen erfolgreichen Indie-Autor aufnehmen.
Warum denn nicht?
Erfolg kommt ja nicht von ungefähr.
Nur nebenbei: Es
gibt ja Autoren, die von sehr schönen Erfolgen sprechen, die sie durch
Self-publishing erreicht haben.
Zumindest bei
amazon kann man Schwindlern schnell auf die Spur kommen: www.novelrank.com eingeben
- und schon kann man die Verkaufszahlen sehen.
Wo
genau würden Sie denn „Erfolg“ in der schönen neuen E-Book-Welt festmachen,
will heißen, gilt man Ihrer Auffassung nach bei 10.000 verkauften E-Books als
Indie-Autor schon als erfolgreich?
10.000 verkaufte E-Bücher? Da kommt's darauf an, was die kosten. Doch bei 99
Cent-Autoren? Nun ja, ich weiß nicht. Ich gestehe, dass ich mich damit noch
nicht wirklich damit beschäftigt habe, denn was 99 Cent kostet, das klingt für
mich nach billigem Ramsch.
In
der Buchbranche debattiert man seit einiger Zeit darüber, ob es generell
schädlich für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die
Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie
stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?
Mir ist das egal.
Wenn was 99 Cent
oder 2,99 € kostet, dann schau ich nicht drauf.
Ich kaufe auch
kein Schweinefleisch das Kilo für 3,99 € und keinen versauten Billigwein.
Wenn Autoren oder
wer auch immer jemanden mit der "Geiz ist geil"-Mentalität erreichen
wollen, dann sollen sie das versuchen.
99 Cent oder 2,99
€ sind in meinen Augen sehr ungeil - Qualität soll und darf etwas kosten.
Nun,
die sicherlich furchtbarste Frage von allen: Herr Simader, wie muss ein Exposé
beschaffen sein, das Ihre Neugier erweckt und Sie möglicherweise gar dazu
animiert zum Telefon zu greifen und sich mit dem Verfasser verbinden zu lassen?
Das ist in der Tat eine sehr furchtbare Frage, denn sie ist unbeantwortbar.
Fest steht: Das
Exposé alleine ist's nicht. Wenn jemand eine tolle Idee hat und nicht schreiben
kann, dann denke ich mir: Tolle Idee, aber er kann nicht schreiben.
Wenn - jetzt
kommt das Gegenteil - ein Exposé ein bisschen hausbacken wirkt, ich aber schon
bei den ersten Sätzen vom Stil der Autorin, des Autors mitgerissen bin, dann
denke ich mir: Langweiliges Exposé, aber gut geschriebener Text.
Ich kann aber
immerhin sagen, wann ich sofort gähne.
Wenn mir jemand
schreibt, dass er im Stil von (jetzt kommen beliebig einsetzbare Namen von
Bestsellerautoren) schreibt, dann denke ich mir: Und, hat er keinen eigenen
Stil, keine eigene Idee?
Und vielleicht
noch etwas: Unaufgeregte Exposés sind mir lieber als aufgeregte. Es geht
einfach darum, dass ich als Agent in kürzester Zeit den Kern des Textes
erfassen kann.
Alle werbenden,
lobenden und sich selbst anpreisenden Hinweise sind fehl am Platz.
Wobei ein
bisschen Humor, ein wenig Augenzwinkern natürlich nicht schaden kann.
Lesungen werden für den
Erfolg von Autoren immer wichtiger, habe ich den Eindruck. Muss ein Autor
daher immer auch ein guter Entertainer sein, um Erfolg beim Publikum zu
erlangen? Geht’s nicht, ohne zumindest eine Spur vom „Rampensau -Faktor“ in
sich zu haben?
Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, wie sich ein Autor bei Lesungen oder auch
bei Facebook etc. präsentiert.
Es ist ziemlich
simpel: In den allermeisten Fällen gibt es eine Verbindung von Autor und Werk.
Autoren, die in
der Welt "draußen" nicht oder nur kaum existieren, werden weniger
wahrgenommen.
Nehmen Sie eine
Lesung, über die ein Provinzredakteur in der Lokalzeitung berichten muss.
Geht er nur auf
das Gelesene ein, kann es schnell langweilig werden.
Kann er darüber
hinaus seinen Beitrag mit etwas Außergewöhnlichem aufpeppen, sei es einer
Geschichte aus dem Privatleben des Autors, sei es irgendeiner netten Anekdote,
die der Autor während der Lesung bringt, dann wird's leichter.
Graduelle
Unterschiede gibt's da sicherlich: Im Feuilleton von FAZ, SZ oder Zeit sind
derlei Dinge nicht ganz so wichtig, da geht's mehr um den Text - aber bei der
Unterhaltungsliteratur, da kann die Story jenseits der Rezension wahre Wunder
bewirken.
"So ein
sympathischer Autor", diesen Satz habe ich schon oft gehört.
Wo sehen Sie den deutschen
Buchmarkt in fünf Jahren? Werden Indie-Autoren darin wirklich eine beständige
Rolle spielen, oder hat das Phänomen Indie, wie so viele andere netzbasierte
Trends, bis dahin seine Halbwertzeit längst aufgebraucht?
Es wird sich, siehe oben, die Spreu vom Weizen trennen.
Ich hoffe, dass
die 99-Cent-Autoren Randerscheinung bleiben und der Wert des Buches
deutlich in den Vordergrund rückt.
Zu uns: Wir
überlegen, derzeit noch sehr vage, jene Autoren, die aus irgendwelchen Gründen,
für die großen Verlage nicht marktkompatibel sind, zu labeln.
Will heißen, dass
wir über eine E-Book-Edition nachdenken, in der wir jene Werke von Autoren
publizieren, deren Manuskripte wir für sehr gut befinden, die aber aus
irgendwelchen Gründen nicht in eine der wohlgeordneten Regale des Buchhändlers
passen.
Das können
genreübergreifende Werke sein. Oder Werke, die unterhalb oder oberhalb von marktüblichen
Seitenzahlen liegen.
Vielleicht auch
Werke von Autoren, die nach wie vor sehr gut schreiben, die aber deswegen von
Verlagen abgelehnt werden, weil die gängigen Warenwirtschaftssysteme sagen:
"Sorry, dieser Autor verkauft sich nicht mehr".
Im Internet
nämlich gibt es keine Warenwirtschaftssysteme, so wie sie die großen
Buchhändler haben.
Sollte es je zu
einem eigenen Label kommen, dann wird es aber bestimmt keine Dumpingpreise
geben.
Haben
Sie einen heißen Marketingtipp für Indie-Autoren?
Nein, heiße Tipps habe ich keine.
Eine Sache jedoch
gilt immer: Gleich ob Print- oder E-Buch, es muss sauber und hochprofessionell
gearbeitet werden.
Schlampig
gearbeitete Ware verkauft sich auf Dauer nicht.
Das Cover muss
stimmen, Einleitungstexte müssen passen, Rechtschreibfehler soll es schon
gleich gar nicht geben.
E-Book-Autoren
sollten bedenken: Grafiker kosten, Lektoren kosten, Werbetexte kosten, auch
Anzeigen etwa bei facebook sind nicht umsonst.
Nimmt man dann
noch die Zeit dazu, die für social-media-Präsenz benötigt wird, dann wird man
sehr schnell feststellen, dass von den hohen Margen weit weniger übrig bleibt,
als man gemeinhin denkt.
Zu alledem kommt:
Wer seinen eigenen Roman präsentieren will, der wird schnell betriebsblind.
Ich bin
beispielsweise heilfroh, dass in Printverlagen Autoren ihre Werbetexte
(Buchhandelsvorschauen) nicht selbst schreiben müssen, denn ein Autor ist viel
zu nah am eigenen Stoff dran, kann ihn schwerlich "runterschreiben" -
hin auf die Allgemeinverständlichkeit.
Welche
Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen;
und weshalb gerade diese?
"Lieber Herr Simader, lesen Sie E-Books?"
Ja, ich lese
E-Books, aber nicht auf dem Kindle.
Ich kaufe meine
Bücher bei www.libri.de und
gebe an, dass ich diese über eine Frankfurter Stadtteilbuchhandlung beziehen
will.
Die sollen
nämlich die Prozente abbekommen - und nicht irgendein Unternehmen ganz weit
weg, zu dem ich keinen Bezug habe.