Freitag, 5. Oktober 2012

Iris Radisch - das Wahre, Schöne, Gute?



Frau Radisch, vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, meine Fragen zu beantworten.  Sie vorzustellen ist eigentlich unnötig. Ich werde es der Vollständigkeit halber dennoch hier kurz versuchen: Sie sind Literaturkritikerin bei der “Zeit“  waren Mitglied des „Literarischen Quartetts“ und sind sogar „Chevalier des Arts et Lettres“. Letzteres ist keine geringe Ehre für eine deutsche Literaturkritikerin.

Hat man diese Auszeichnung hier in Deutschland eigentlich so richtig wahrgenommen, weiß man unter den Kollegen was dieser Orden bedeutet?


Ich habe keine Ahnung, wie bekannt dieser Orden unter deutschen Literaturkritikern ist.

Man geht landläufig davon aus, Literaten und Verleger seien besonders zivilisierte und gebildete Menschen.  Dennoch oder gerade daher – Frau Radisch – hat man Ihnen schon gedroht, oder versuchte man schon einmal die Veröffentlichung einer Ihrer Kritiken zu verhindern?

Nein, mir hat noch nie jemand gedroht. Als Literaturchefin der ZEIT kann ich selbst entscheiden, welche Bücher ich rezensieren möchte. Daran bin ich noch nie gehindert worden.

Immerhin entspricht es ja quasi dem Berufsbild des Kritikers sich Gegner zu machen. Das ist zweifellos ein Klischee – aber die meisten Klischees enthalten ja immerhin ein Körnchen an Wahrheit. Haben Sie sich mit Ihrer Tätigkeit Gegner gemacht? Halten Sie sich selbst für eine mutige Frau? Oder falls das zu viel gefragt sein sollte, besitzen Sie dann zumindest einen gewissen Hang zur Streitlust?

Klar, einen Hang zur Streitlust habe ich sicher, gelegentlich auch zur Polemik. Mut ist allerdings keine Kategorie, die im Literaturbetrieb eine große Rolle spielte. Feinde habe ich mir zum Beispiel gemacht, als ich es als einzige Kritikerin in Deutschland gewagt habe, den letzten Roman der deutschen Literaturnobelpreisträgerin Herta Müller zu kritisieren. Oder als ich den letzten Roman der Suhrkamp-Chefin mit vorsichtigen Einwänden bedacht habe. Aber mutig würde ich das noch nicht nennen, eigentlich ist das doch nur mein Beruf.

Hier eine womöglich etwas böse Frage: Woher beziehen Sie, als die Moderatorin - die uns Lesern und Internetusern ja Lesetipps vermittelt - eigentlich Ihre  Buchtipps? Was sind die Grundvoraussetzungen die ein Autor / ein Titel mitbringen muss, um von Ihnen wahrgenommen und eine Kritik für wert befunden zu werden?

Ich „beziehe“ doch keine Tipps, sondern ich lese Bücher. Meine Auswahl ist ganz persönlich und sowohl von meiner Leselust, aber manchmal natürlich auch vom glücklichen Zufall abhängig.

Wer darf sich Ihrer Definition zufolge eigentlich als Autor bezeichnen? Genügt da – grundsätzlich – bereits einige Bücher an andere Leute als nur die eigene Oma, Tante, Schwester oder Mutter  verkauft zu haben, oder gehört nicht noch so einiges mehr dazu, bevor man / frau sich als Autor bezeichnen darf?

Die Frage ist mir für dieses Format hier zu groß.


Was halten Sie von E-Books? Ist das eine eher segensreiche oder eher schädliche Entwicklung? Besitzen Sie eigentlich einen eReader? Immerhin vielleicht ganz praktisch für jemanden, der wie Sie viel unterwegs ist. Bücher sind sicherlich ein unverzichtbares, aber eben auch recht schweres Reisegepäck und die Datenspeicher von eReadern fassen mehrere tausend Titel.

Ja, ich benutze einen eReader – aber selten und nur so lange das gedruckte Buch noch nicht fertig ist. Ich bin auf diese Zweisamkeit zwischen Buch und mir konditioniert, lese auf langer Strecke ungern anders. Finde auch nur auf dem Papier einen wirklich direkten Kontakt zum Text, schreibe viel mit Bleistift in die Bücher, unterkringele und unterstreiche und so weiter. 


Iris Radisch © Zentralbild




Es scheint ja so, dass die Umwälzungen, die mit dem Aufkommen des E-Books einhergehen, nicht nur deutliche Auswirkungen darauf haben, wie gelesen wird, sondern auch was.  Ich will jetzt hier gar nicht auf die drei vier altbekannten internationalen E-Book Erfolge hinaus, meine Frage zielt tiefer. Bislang wurden Novellen und Kurzgeschichten – überhaupt die etwas kleinere Textform -  von den Verlagen eher vernachlässigt. Jeder Agent oder Verleger hätte seinem Autor vor einem Jahr ja noch gesagt: „Kurzgeschichten laufen nicht, verschwenden Sie daran gar nicht erst Ihre Zeit“  Doch im E-Book Bereich scheinen Kurzgeschichten und Novellen derzeit eine Renaissance zu erleben. Eine grundsätzlich positive Entwicklung?

Wer sollte etwas gegen Novellen und Kurzgeschichten haben? In Hongkong gibt es auch schon Kürzestgeschichten, die sich wunderbar auf dem Handy lesen lassen. Mir ist das alles recht, solange es nur zusätzlich und nicht stattdessen da ist. Wenn Bücher im ganz großen Stil nur noch als ebook und nicht mehr als Papierbuch erscheinen, das wäre schon sehr schade.


Es existiert in der gesamten Buchbranche aktuell eine Debatte darüber, ob es  generell schädlich für den gesamten Markt sei, wenn eine so große Plattform wie Amazon.de immer mehr und mehr Marktmacht im Buchgeschäft akkumuliert.
Hegen Sie angesichts dessen womöglich die Befürchtung, dass da mittelfristig vielleicht die Literatur wieder einmal  zugunsten der Unterhaltungsbestseller den Kürzeren zieht?


Die Hauptbefürchtung ist doch die, dass hier ein Megakonzern unkontrollierbar Macht akkumuliert und den Markt beherrscht. Das muss man verhindern.


Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von Verlagen und Kritikern als anrüchig betrachtet würde. Ist da Ihrer Meinung nach etwas dran? Können Sie sich vorstellen eines Tages auch ein vom Autor selbst ohne Verlag publiziertes E-Book besprechen?

Ja, kann ich mir vorstellen. Aber wovon wollen die Autoren dann leben?

Allenthalben scheint man die Zukunft des stationären Buchhandels mittelfristig in einem recht düsteren Licht zu sehen. Sehen Sie dort auch nur zunehmende Finsternis oder existiert für Sie bei allem Ernst der Lage auch ein Lichtschein am Ende jenes Tunnels.

Kein Lichtschein für meine kleine Buchhandlung, nein.


Die Urheberrechtsdebatte ist im Sommerloch etwas ruhiger geworden, aber längst noch nicht am Ende. Haben Sie denn kürzlich irgendeine der vielen Petitionen unterzeichnet, Frau Radisch? Falls dem so war - welche und weshalb? Oder ist das in Ihren Augen nur wieder einer jener Stürme im Wasserglas, für die das Internet ja so prädestiniert ist?

Kein Sturm im Wasserglas, das Urheberrecht ist wichtig, aber es kann ja auch für elektronische Bücher gelten.








Donnerstag, 27. September 2012

Harrys Mum packt aus - J.K. Rowling im Interview


J.K. Rowling spricht hier über ihr neues Buch für Erwachsene „A casual vacancy“ (Deutsch: „Ein plötzlicherTodesfall“). Sie bekennt sie habe „Fifty Shades of Grey“ nicht gelesen (und wird’s wohl auch nicht mehr) aber gibt auch zu sie habe „Die Geschichte der O“ nicht einfach nur so durchgeblätter. (Was immerhin beweist, dass sie so prüde nicht sein kann, wie man es den Angelsachsen ja manchmal ganz gern nachsagt). 
Außerdem gibt sie zu ihr Hochzeitskleid inkognito gekauft zu haben und klassische Krimis zu mögen und redet über John F. Kennedy, Barack Obama, den Kindle, E-Books und den Autor mit dem sie am liebsten verglichen werden möchte (AnthonyTrollope). 


J.K. Rowling im Interview mit dem "Guardian" (Copyright "The Guardian")



Besonders interessant (wenn auch zu erwarten) war, dass sie den neuesten Veränderungen in der Verlagsindustrie und dem Leseverhalten sehr unaufgeregt gegenübersteht. 


Viel Spass, beim zusehen und zuhören. 

Das Video erschien ursprünglich auf der Webseite des britischen "Guardian"




"Ein plötzlicher Todesfall" zu haben bei Amazon.de

Mittwoch, 26. September 2012

Michael Meller - der Agent



Hallo Herr Meller, man hat Sie einmal als einen – wenn nicht sogar den – einflussreichsten Agenten im deutschen Literaturbetrieb bezeichnet, ganz bestimmt aber zählen Sie zu den erfolgreichsten und erfahrensten Literaturagenten am Markt. 

Sie vertreten auf dem deutschen Markt solch berühmte Autoren wie Jonathan Franzen, Martha Grimes,  Frank McCourt, oder David Baldacci und kümmern sich auch um die Vermarktung des literarischen Nachlasses in Deutschland von Roald Dahl.

Vergessen Sie bitte nicht Autoren wie Rebecca Gablé, D.B. Blettenberg, Bernhard Hennen, Eva Völler, Timur Vermes, Annette Hohberg, Anne Chaplet und viele andere gute (und erfolgreiche) deutsche Autoren. Außerdem besteht die Agentur schon seit einigen Jahren nicht mehr nur aus mir allein. Wir sind 4 Agenten/innen!

Ich bin mir klar, dass jeder Zauberer nur so gut sein kann wie seine besten Tricks, und werde mich daher hüten Sie hier nach irgendeinem Erfolgsrezept zu fragen.  Würden Sie dennoch den Lesern zumindest verraten, welche Voraussetzungen es braucht um überhaupt im Geschäft des Literaturagenten bestehen zu können? Sind es tatsächlich nur die guten Beziehungen zu Autoren, Lektoren, Verlegern, die eine erfolgreiche Agentenkarriere ausmachen, oder steckt da doch noch mehr dahinter?

Agenten sind keine Zauberer. Sie können nur so gut sein wie das Manuskript mit dem sie arbeiten. Was sie besser können als die meisten Autoren ist die Einschätzung und Kenntnis des Marktes, um dann den für einen Autor bestmöglichen Vertrag zu verhandeln.
Das muss nicht immer ein grosser Vorschuss sein. Hier gibt es sehr viele Mythen.
Selbstverständlich gehören gute Kontakte dazu. In Amerika gibt es einen Spruch, der mir immer gefallen hat: Der Agent ist nicht gegen den Verlag, aber für den Autor!


Man hört ja immer mal wieder, dass die Verlage zugunsten weniger berühmter Bestsellerautoren, deren Vorschüsse „thru the roof“ gehen, die breite Masse der Verlagsautoren vernachlässigen. Ist da tatsächlich etwas daran, Herr Meller?

Natürlich wird meistens ein hoch bevorschusstes Manuskript anfänglich mehr befördert, aber ob es sich deswegen gut verkauft, bleibt dahingestellt. Dazu kommt, dass die Mitarbeit des Autors beim Verkauf immer wichtiger wird. Ansonsten siehe oben unter Mythen….
Und ein hoher Vorschuss für einen erwiesenen Bestsellerautor ist eigentlich etwas ganz normales – oder?


Der Buchmarkt in Deutschland ist im Umbruch. Das E-Book ist endgültig in Deutschland angekommen und so mancher ruft deswegen mal wieder den „Untergang des Abendlandes“ aus.
Ich weiß, dass Sie persönlich dem E-Book wohl sehr offen gegenüberstehen. Aus welchen Gründen?
Man könnte ja immerhin argumentieren, dass mit dem Erfolg des Selfpublishing bei Amazon.de und anderswo, die klassische Rolle des Agenten als Vermittler zwischen Verlag und Autoren ins Wanken geraten sei. Sind Sie vielleicht einer der letzten Großen innerhalb eines zum aussterben verurteilten Berufszweiges?

Eins nach dem anderen. Die Verlage fahren ihre Programme zurück und Händler ihre Verkaufsflächen. Damit geraten die Autoren in einen doppelten Engpass.
Das E-Book ist das lang ersehnte Ventil!
Doch ob E-Book oder traditionelle Print-Ausgabe – der Agent nimmt weiterhin dem Autor Arbeiten und Aufgaben ab, die diesen sonst von seiner Hauptarbeit, dem Schreiben, abhalten. Haben Sie schon mal die Abrechnungen der E-Book Plattformen auseinandergefieselt, wie man in Bayern sagen würde!?
Die großen E-Book Erfolge, von denen wir aus Amerika (und seit SHADES OF GREY  ja nicht mehr nur von dort) hören, stammen von Autoren, die in 99% der Fälle einen Agenten haben. Und die wissen auch  warum.
Sicher, unsere Aufgaben verändern sich ebenfalls.


Stichwort Urheberrechtsdebatte – kürzlich irgendeine der vielen Petitionen unterzeichnet, Herr Meller? Falls dem so war - welche und weshalb? Oder ist das in Ihren Augen nur wieder einer jener Stürme im Wasserglas, für die das Internet ja so prädestiniert ist?

Ich unterzeichne grundsätzlich keine Petitionen, vor allem nicht solche  unausgegorenen.
Wo waren denn alle diese Autoren über all die Jahre!!?? Haben die nie gemerkt, dass unser bestehendes Copyright noch mit beiden Füßen im 19. Jahrhundert verankert ist? Ohne die Piraten würde da immer noch nichts geschehen. Endlich kommt, dank der Piraten, Bewegung in die Sache. Und keinen Tag zu spät.


Michael Meller (Süddeutsche Zeitung / © Stephan Rumpf)


Es existiert in der gesamten Buchbranche eine Debatte darüber, ob es  generell schädlich für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?

Diese imaginäre Leine ist  schon damals gerissen als die Verlage Unternehmen wie der Süddeutschen Zeitung und all deren Nachahmern Lizenzen für Top-Titel zu Bedingungen verkauften, deren Preise noch untern denen von Taschenbüchern lagen. Da beim E-Book keine physische Produktion notwendig ist, sind das - proportional gesehen - ganz „normale“ Preise. Trotzdem hier bestimmt auch der Markt den Preis UND der Autor. Das wird immer wieder vergessen. Gerade beim E-Book hat der Autor uneingeschränkte Autorität!


Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da Ihrer Meinung nach etwas dran?

Schlichter Unsinn. Das eine schließt ja das andere nicht aus. Abgesehen vom gleichen Werk; da kann ein Verlag durchaus zickig werden, wenn der Autor das Manuskript alleine parallel als E-Book veröffentlichen möchte. Andererseits kämmen die Verlage dieser Tage die E-Book Bestsellerlisten nach printfähigem Material durch.

Nicht nur Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de sieht mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht. Sie ebenfalls? Haben wir inzwischen bereits wirklich Grund dazu, dem guten alten Buchladen um die Ecke eine Träne nachzuweinen?

Es gehört zu den Widersinnigkeiten der Preisbindung, dass damit ursprünglich den Ladenketten das Kapital geliefert wurde, den stationären Buchhandel platt zu machen (in den USA kalkulierten die Ketten viel schärfer, da sie hohe Rabatte anbieten mussten); doch die Ketten waren auch nicht besonders clever und haben das Geld in unsinnigen Expansionen verpulvert. Im Endeffekt sind aber nun beide - hier wie dort - am E-Book gescheitert. Amazon hat dafür gesorgt. Und nun freut sich Amazon hier über den Reibach, den sie dank des gebundenen Ladenpreises in Deutschland machen dürfen! Damit keine Missverständnisse entstehen, wir sprechen von den Print-Ausgaben.

Vielleicht eine etwas indiskrete Frage, aber haben Sie sich in Ihrer langen Karriere im Bezug auf den Erfolg eines Buches schon einmal total verspekuliert?

Ja, als ich noch in den New York lebte, habe ich dem Bertelsmann Verlag dringend vom Kauf der Autobiographie von Lee Iaccocca (Automanager und Chef von Chrysler) abgeraten. Ich telexte (!) nach München: „stinklangweilig, voller Details über Autos.“
Es wollte dann auch fast 6 Monate lang kein anderer Verlag das Buch, bis Econ der Agentin einen Gefallen tat und es für $ 1000,-- einkaufte. 700 000 Ex. später waren wir alle schlauer.
In Europa wurde es nur in Italien und Deutschland ein Erfolg. 2 Auto-Nationen! Hätte man natürlich dran denken sollen….
Es gibt sicherlich Bücher, die ich  abgelehnt hätte, doch sie wurden mir nie angeboten. Schwein gehabt….

Und ganz zum Schluss: Welche Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?

Ich warte noch – mir fällt sie nicht ein….

Ja - lest mehr Bücher, als Blogs Leute. Lest vor allem gute Bücher. Zur Not ja sogar meine





Samstag, 8. September 2012

Helden – in Sockenpuppen?




Da ist es, das Skandälchen, das passend zum auslaufenden Sommerloch seine Wellen durch die Blogs, Fachmagazine und Feuilletons zieht.
Einige prominente Autoren (darunter John Locke und Stephen Leather) haben freiwillig - andere eher unfreiwillig -zugeben müssen bei den Onlinerezensionen ihrer Titel geschummelt zu haben.

In bestimmten Fällen scheint es sogar so zu sein, dass sie sich Jubelrezensionen erkauft haben. In anderen nutzten die fraglichen Kollegen angeblich so genannte „Sockenpuppen“, also gefakte Netz-Identitäten, um ihre eigenen Titel auf den bekannten Verkaufsplattformen mit Jubelrezensionen zu beschenken. 

Was für ein böser Schlag ins Kontor.

Zweifellos war die Mehrheit der Leser bisher absolut überzeugt davon, dass sämtliche Buchrezensionen auf Amazon, iTunes oder anderswo im Netz ehrlich und aufrichtig die Meinung eines objektiven Rezensenten widerspiegeln. 
Nun – nachdem das sprichwörtliche Kind in den genauso sprichwörtlichen Brunnen fiel -  steht zu erwarten, dass sie sich in hellen Scharen enttäuscht und angeekelt von diesen Kollegen abwenden werden.  
 Und wie hoch der Schaden aus diesem Skandal für den gesamten E-Bookmarkt ist, sei - so hört und liest man allenthalben - noch gar nicht abzusehen.  Wieder einmal werden Petitionen herumgereicht und bastelt man an verschiedenen Orten sogar an einem Ethik Codex für Autoren. 

Lassen Sie mich mit Hilfe einer kurzen Geschichte (aus dem wahren Leben) begründen, weswegen ich persönlich gewisse Schwierigkeiten habe, eine dieser Petitionen zu unterzeichnen (Nicht, dass irgendwer sich wirklich darum scheren würde, ob Herr Gray nun seinen Namen unter eine davon setzt)

Stellen wir uns vor: 

Das luftig helle Büro eines Cheflektors in irgendeinem der großen Publikumsverlage. Gerade hat besagter Cheflektor, nennen wir ihn Herrn A, zu einem Spottpreis einen netten kleinen Roman eingekauft, vielleicht einen Thriller oder einen witzigen Liebesroman, wie er in letzter Zeit ja wieder in Mode gekommen zu sein scheint.  

Das Skript hat alles, worauf Herr A nur hoffen durfte, es ist spannend, dabei dennoch nicht ganz niveaulos, und es wird sich wahrscheinlich verkaufen wie Butter auf Brot.
Nur hat Herr A  auch Hürden zu überwinden, bevor er mit den Verkaufszahlen des Büchleins beim Management Eindruck schinden kann. 
Denn dummerweise stammt jenes Büchlein nicht aus der Feder eines der bekannten Bestsellerautoren, sondern von einem Neuling, dessen Namen bislang weder den Lesern noch den Feuilletonnisten irgendetwas sagt. 
Andererseits hat Herr A es – wie erwähnt – zu unschlagbar günstigen Konditionen eingekauft und kann daher mit einem sehr hübschen Gewinn rechnen, sollte es ihm irgendwie doch gelingen das Buch in die Bestsellerliste zu katapultieren.

 Was tun?

Herr A greift zum Telefon und tätigt einige Anrufe.

Wen er da anruft?
 Seine Bestsellerautoren.
Bevorzugt diejenigen, deren letzte oder vorletzte Titel im selben Genre erschienen, wie jenes kleine Büchlein des Neulings.  
 „Schreib mir doch einen Blurb. Es wird Dein Schaden bestimmt nicht sein“ bittet er seine Spitzenautoren. Und, da Herr A dies nicht zum ersten Mal tut, findet er sehr rasch eine seiner Edelfedern, die ihm nur allzu gern seinen Wunsch erfüllt.

Vielleicht ist es angebracht hier zu erläutern was ein Blurb eigentlich ist. Bei einem Blurb handelt es sich um einen kurzen, möglichst prägnanten und witzigen Slogan  mit dem gut sichtbar auf dem Cover eines Buches dessen Qualitäten angepriesen werden. Beispiele gefällig?
 Bitte sehr: „It is perhaps the best of the epic fantasies – readable and realistic“ die Bestsellerautorin Marion Zimmer Bradley über “A Game of Thrones“ von George R. R. Martin.
Ein anderes Beispiel?
 Bitte sehr: „Der moderne Graham Greene“ so Ulrich Wickert, Ex- Nachrichtensprecher und Krimiautor, über William Boyds Roman „Brazzaville Beach“
Ich nehme an das Prinzip ist grundlegend soweit verstanden worden?
Ja?

Dann zurück zu Cheflektor A und dessen Edelfeder, nennen wir sie Frau Y.

Frau Y, gestehen wir ihr soviel Respektabilität zu, dass sie das Buch des Neulings auch wirklich liest, entwirft einige Blurbs und sendet sie zu Herrn A. Der nichts Eiligeres zu tun hat, als diese aufs Cover seines neuesten Demnächst-Blockbusters drucken zu lassen.

Einmal soweit gekommen, lässt er sich in aufgeräumter Stimmung mit seinen fünf bis achtzehn Lieblings Feuilletonnisten verbinden, um denen das neue Buch ans Kritikerherz zu legen.
Wobei er natürlich nicht versäumt stolz darauf hinzuweisen, wie begeistert seine Spitzenautorin Frau Y von dem Werk des Neulings gewesen war.  

 Außerdem sei es doch sowieso mal wieder an der Zeit das Spesenkonto des Verlages für ein gemeinsames Essen zu plündern und die Einladung zur Verlagsfete in Gran Canaria, die steht selbstverständlich auch - vier Tage im Fünf Sterne Hotel bei voller Verpflegung und ungehinderter Zugang zu allen dort anwesenden Autoren, extra eingeflogenen Promis und Verlagsmitarbeitern. 

Vorstellbar, dass zwei bis drei der fünf bis achtzehn Lieblingsfeuilletonnisten  Herrn A’s, zum fraglichen Zeitpunkt gerade anderswo in der Welt unterwegs sind und daher dankend ablehnen müssen.

Alle übrigen nehmen Herrn A’s großzügiges Angebot allerdings erfreut an und wie durch Zauberhand (oder eben gerade NICHT wie durch Zauberhand) füllen sich pünktlich zum Marktstart des Romans unseres Neulings die Seiten der einschlägigen Feuilletons mit Kritiken und Besprechungen. 

 Nicht wenige davon erwähnen neben unserem Neuling auch Edelfeder Frau Y und zitieren deren begeisterten Blurb, was wiederum auch Frau Y’s letzten Titel erneut ins Gespräch bringt.

 Außer dem Verlag verdienen sich spätestens zur großen Fete auf Gran Canaria auch noch Lufthansa und Hotel eine silberne Nase.
Ende gut, alles gut.
 Wirklich?
Nein. 







Denn ich frage mich, ob man hier nicht ausnahmsweise eben doch Äpfel mit Birnen vergleichen darf.

 Unterscheidet sich die Wirkung eines Blurbs eines bekannten Kollegen auf einem Buchcover, oder – besser noch – zitiert in einer Kritik in irgendeiner Zeitung oder TV-Sendung, denn tatsächlich so sehr von der einer Eigenrezension  irgendeines Indie –Autoren?

 Zumal wenn man dazu in Betracht zieht, wie eng die Verlagswelt traditionell mit den Redaktionen der großen Zeitungen und TV Sender verknüpft ist und sich diese Verknüpfung in Zeiten von Internet und  Crosspromotion Jahr für Jahr nur noch enger gestalten zu scheint.

 Ich glaube, dass hier kein wirklich sauberer Strich zu ziehen ist. 

Im Grunde, sitzen wir Autoren in dieser Beziehung alle im selben Glashaus, und ob wir es uns offen eingestehen wollen oder nicht, am Ende des Tages sehen wir alle uns gezwungen so laut und raffiniert und lang anhaltend für unsere Titel die Trommel zu rühren, wie es uns nur irgend möglich ist.  

 Nein, ich bin nicht begeistert von den Neuigkeiten über Sockenpuppen und gekaufte Fakerezensionen.   

 Aber ich lebe auch nicht in einer idealen Märchenwelt. Und bisher neige ich daher eher nicht dazu irgendeine der Petitionen zu unterzeichnen, solange sich da nicht auch die Namen einiger Damen und Herrn vom beruflichen Profil eines Herrn A oder seiner Feuilletonistenfreunde finden lassen. 

 Ein gewisses Maß an Heuchelei ist sicherlich gesund für jeden, der seine Bücher nicht nur zur Befriedigung persönlicher Eitelkeiten auf den Markt wirft, sondern damit auch Geld verdienen will. 

 Schwierig wird es allerdings immer dann, wenn man sich vor die Entscheidung darüber gestellt sieht WIE hoch dieses Maß an Heuchelei wirklich sein darf, bevor es zwangsläufig die Grenze zur offenen Farce überschreitet.

Herr Gray bedankt sich für Ihre Aufmerksamkeit.


Das sind Pfandflaschen tatsächlich nicht, noch nicht mal für Autoren




Montag, 6. August 2012

Wolfgang Hohlbein – die Freiheit nehm’ ich mir




Hallo Wolfgang Hohlbein, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen meine Fragen zu beantworten. Sie erreichten mit Ihren Büchern regelmäßig Millionenauflagen. Mancherorts behauptet man Sie seien der Auflagenstärkste zeitgenössische deutsche Autor überhaupt.

Kollege Andreas Eschbach hält auf seiner Webseite den Hinweis bereit, dass man als Autor besser nicht erwarten solle je in die Verlegenheit zu kommen, vorm eigenen Haus die Paparazzis von den Bäumen schütteln zu müssen. Dennoch, Herr Hohlbein, werden wenigstens Sie manchmal auf der Straße erkannt und um ein Autogramm gebeten?

Auch wenn ich gelegentlich einmal erkannt und um ein Autogramm gebeten werde: ein Autor ist kein Rockstar. Zu unseren Lesungen kommen bestenfalls ein paar hundert Leute, während zu den großen Festivals wie Wacken zehntausende von Fans pilgern. Das kommt mir entgegen, denn dadurch fokussiert sich das öffentliche Interesse viel mehr auf das, was ich zu Papier bringe. Ich finde es prima, manchmal an Podiumsdiskussion teilnehmen zu können oder nach einer Lesung meinen Lesern in einer Fragerunde Rede und Antwort zu stehen. Aber genauso, dass ich auch ganz normal mit der Bahn fahren und in ein Restaurant gehen kann. Darauf würde ich nur sehr ungern verzichten.


Wolfgang Hohlbein - Bestsellerautor
 

Was halten Sie vom Phänomen der so genannten Indie-Autoren, also den Kollegen, die ihre Titel selbst als E-Books auf den verschiedenen Plattformen veröffentlichen? Verfolgen Sie diese Entwicklung überhaupt?  

Ich würde sicherlich daran teilnehmen, wenn ich selber noch eher im Anfang meiner Karriere wäre. Meine ersten Geschichten habe ich in Fanzines veröffentlicht, das hat mich weitergebracht. Das man jetzt darüber hinaus viel mehr Freiheiten hat, seine Leser zu erreichen: Das ist eine Bereicherung.

Ein Verlagslabel auf dem Buchcover bürgt ja dafür, dass da Lektorat, Korrektorat, Cover und was dergleichen noch mehr ist, professionell gehandhabt wurden. Wird das allein ausreichen, um in der derzeit immer schärfer werdenden Konkurrenz im E-Book Markt zwischen Indie-Autoren und Verlagsautoren langfristig mithalten zu können?

Zu diesem Themenkreis finden ganze Kongresse statt. Die gehen allerdings ziemlich an mir vorbei: Ich sehe mich nicht in der Rolle als Trenddeuter, sondern als Geschichtenerzähler. Insofern beobachte ich, dass sich der Markt immer weiter öffnet, und ständig neue Publikations- und Vertriebsformen ausprobiert werden.  Wer am Ende gewinnt oder verliert: Das lässt sich im künstlerischen Bereich gottlob vorab nicht wirklich einschätzen.

Wie sehen Sie den E-Book Markt als Verlagsautor? Bringt das E-Book langfristig Schaden, ist es womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht irgendetwas dazwischen?

Mit dem Ausdruck „Verlagsautor“ kann ich eigentlich nur wenig anfangen. Wie gesagt sehe ich mich als Geschichtenerzähler. Ob meine Geschichten dann in gedruckter Form, als Hörbuch, als Film oder als E-Book verbreitet werden, steht dabei für mich nicht so im Vordergrund. Was ich allerdings wichtig finde ist, dass ein Austausch von Geben und Nehmen besteht. Und das geht nur solange gut, solange Raubkopien nicht überhand nehmen. Wenn das nicht mehr der Fall ist, wird man als Familienvater eher einen Bürojob annehmen, statt Künstler zu werden.

Als Selbstpublizierer ist es mittlerweile kein großes Problem mehr, viele der Dienstleistungen, die ein Verlag dem Autor anbietet, auch selbst einzukaufen. Ich denke da an Lektorat, Cover und dergleichen mehr. Der Aspekt, den die überwiegende Anzahl der Selbstpublizierer allerdings stets als besonders positiv hervorhebt, ist ihre Freiheit über Vermarktungsform und Gestaltung des eigenen Buches selbst bestimmen zu können. Gibt es Momente im Leben des Verlagsautors Wolfgang Hohlbein, in denen er den Indie-Autoren jene Freiheit womöglich ein wenig neidet?

Nein. Ich habe mir die Freiheit genommen, in meinen Geschichten immer wieder Grenzen zu sprengen. Das ist für mich Freiheit. Nicht die, selbst Vermarkter zu werden.

Stichwort: illegale Downloads. Haben Sie als der erfolgreichste deutsche Gegenwartsautor schon Erfahrungen mit illegalen Downloads Ihrer Bücher machen müssen?

Sicher. Aber damit beschäftigen sich die Verlage, während ich – ich kann mich hier nur wiederholen – mich lieber aufs Geschichtenerzählen konzentriere.

Stichwort Urheberrechtsdebatte. Hat Wolfgang Hohlbein in dieser Angelegenheit eine Petition unterzeichnet? Und falls ja – welche und weshalb? Oder halten Sie Ihren Namen von solchen Unternehmungen grundsätzlich lieber fern?

Das Thema Raubkopien und Urheberrechtsschutz verfolgt mich, seitdem ich im Jahr 2000 als erster deutscher Autor erfolgreich eine E-Book-Geschichte an den Mann gebracht habe. Ich finde es dennoch weitaus spannender, Romane zu schreiben, als Petitionen zu unterzeichnen.

Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da Ihrer Meinung nach etwas dran?

Wer nicht bereit ist, Gefahren einzugehen, wird wohl kaum neue Türen aufstoßen. Ich habe mich als Vater von drei Kindern als Autor selbstständig gemacht, als ich noch keine wirklichen Erfolge vorzuweisen hatte. Die stellten sich dann sehr bald ein. Andere waren weniger glücklicher und mussten schon bald wieder in ihren ungeliebten Beruf zurückkehren. Aber sie haben es wenigstens versucht: Und darauf kommt es im Leben doch an.

Viele Branchenprofis sehen mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht. Sie ebenfalls?

Der stationäre Buchhandel ist Mittler zwischen Verlagen und Käufern. Je mehr diese Funktion auch von anderen – etwa vom Online-Buchhandel und Web-Portalen – angeboten wird, umso schwieriger wird es für den klassischen Buchhändler.

Was wirft Sie bei der Arbeit an einem neuen Roman garantiert „aus der Bahn“? 

Körperliche Erschöpfung wie nach einer langen Autofahrt im Stau.




Donnerstag, 2. August 2012

Rebecca Gablé - Königin der Herzen?


Hallo Frau Gablé vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen, meine Fragen zu beantworten.  Ihre Titel schaffen es regelmäßig auf die SPIEGEL Bestsellerliste. Sie sind eine echte deutsche Bestsellerautorin, von denen es so viele ja nun auch nicht gibt.

Sie haben eines Tages beschlossen Ihren Brotberuf als Bankkauffrau aufzugeben und Ihr Glück ausgerechnet mit einem Literaturstudium zu versuchen. Ziemlich mutige Entscheidung. Gab’s einen Plan B, oder haben Sie bildlich gesprochen damals „alle Brücken hinter sich abgebrannt“?

Ich habe das Literaturstudium mit dem Berufsziel „Schriftstellerin“ begonnen, aber natürlich war mir klar, dass das ziemlich unrealistisch war, zumal ich zu dem Zeitpunkt schon drei Jahre erfolgloser Verlagssuche für meinen ersten Roman hinter mir hatte. Plan B war, notfalls nach dem Examen in meinen alten Beruf zurückzukehren. Während des Studiums entwickelte sich dann aber glücklicherweise Plan C, der auch zur Anwendung kam: Ich habe neben dem Schreiben einige Jahre als Literaturübersetzerin gearbeitet.


Rebecca Gablé © Olivier Favre 2011
Wie viele Buchverkäufe braucht es eigentlich bevor man sich mit Fug und Recht im Printbereich „Bestsellerautorin„ nennen darf?

Fragen Sie drei Leute, bekommen Sie drei verschiedene Antworten. Irgendwo las ich kürzlich, ein Beststeller sei ein Buch, das 20.000 Exemplare verkauft habe. Das kommt mir ziemlich willkürlich vor. Es ist letztlich eine Frage der Definition. Ist ein Buch ein Bestseller, das es auf Platz 50 der Buchreport-Bestsellerliste (deren Plätze 1 bis 20 wöchentlich im SPIEGEL stehen) geschafft hat? Dann können 10.000 oder 15.000 verkaufte Exemplare durchaus reichen. Oder ist ein „richtiger“ Bestseller nur ein Titel, der es in die Top 10 geschafft hat? Dann müsste man die Zahlen in etwa verdreifachen, schätze ich. Es hängt natürlich auch von der Jahreszeit ab: Im Sommerloch, wenn wenige Hardcover erscheinen, reichen vielleicht schon 20.000 für die Top 10. Im September und Oktober, wenn die Novitäten gleich dutzendweise ins Weihnachtsgeschäft fluten, kommt man damit kaum über Platz 30. Sie können mit einem gut vermarkteten Titel mal kurz in die Top 10 hochschießen, aber insgesamt die 30.000-Marke niemals knacken, aber Sie können einen langsam dahin schleichenden Longseller 200.000 mal verkaufen, ohne je auf einer Bestsellerliste zu stehen. Woran man sehen kann, wie absurd diese Listen als Erfolgsmesser eigentlich sind.


Immerhin gibt es mittlerweile Indie-Autoren, die behaupten ihre Bücher mehrere Zehntausend Mal verkauft zu haben. Jonas Winner hat sogar die 100.000der Marke mit seiner Berlin-Gothic-Serie  geknackt. 
Andererseits wird ja allenthalben immer wieder behauptet, dass man vom Beruf des Autors nicht leben könne. Hellen solche Verkaufszahlen im Independent-Bereich die Aussichten für Nachwuchsautoren generell nicht doch etwas auf?

Ich finde es sehr spannend, wie die Autoren- und die Bücherlandschaft sich durch das Netz und das eBook verändern. Aber so märchenhafte Erfolgsstorys wie Amanda Hocking oder E.L. James können nicht darüber hinwegtäuschen, dass die wirtschaftliche Situation für junge Autorinnen und Autoren unverändert schwierig ist. Als Newcomer einen Printverlag zu finden war noch nie so schwer wie heute, weil viele Verlage ihre Programme verkleinern. Die Selbstvermarktung im Netz bietet natürlich neue Chancen, aber in einem so großen Meer mit so vielen Fischen darin wahrgenommen zu werden, ist bestimmt nicht einfach. Andererseits: Schreiben war immer schon ziemlich brotlos. Wenn man damit anfängt, kann man unmöglich wissen, ob es einen jemals ernähren wird, und die Chancen sind eher gering. Darum ist Schreiben etwas, das man eigentlich nur aus Leidenschaft machen kann. Wenn man sehr hart arbeitet und sehr viel Glück hat, kann man möglicherweise eines Tages davon leben. Wenn nicht, muss man sich einen anderen Job suchen, aber es bleibt immer noch die Schreib-Leidenschaft. So war das schon bei den Minnesängern, und so ist es auch im digitalen Zeitalter (lacht)


Sie sind einer der Kollegen, die konsequent das Internet für sich nutzen. Sie betreiben eine gut sortierte Webseite und sind bei Facebook mit einer Fanseite vertreten.  Welchen Fehler sollten Kollegen Ihrer Meinung nach bei der Kommunikation mit ihren Lesern im Internet unbedingt vermeiden?

Kollegen-Bashing und andere Indiskretionen, die einem irgendwann mal um die Ohren fliegen könnten. Junge KollegInnen der Digital Natives-Generation wissen das ja bestimmt viel besser als ich, aber ich habe manchmal das Gefühl, man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Das Netz hat ein ewig währendes Gedächtnis. Also ganz egal, wie kuschelig sich der Umgang mit treuen Lesern auf Facebook oder sonst wo irgendwann anfühlt, ein gesundes Maß an Zurückhaltung ist immer angebracht.

Wie sehen Sie den E-Book Markt als Verlagsautor? Ist da finanziell bisher wirklich etwas für Sie „zu holen gewesen“? Oder ist das aktuell immer noch eher ein Nebengeschäft für Sie?

Es ist ein Nebengeschäft, das in den letzten Monaten aber angezogen ist. Ich glaube, wir erleben gerade, wie der Schneeball ins Rollen gerät, der jetzt ziemlich schnell größer und größer werden wird.

Es existiert in der gesamten Buchbranche ja eine Debatte darüber, wie schädlich es für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?

Die würde ich gerne mal sehen, diese Reißleine (lacht) Natürlich sind eBooks zu Schleuderpreisen ein Problem. Raubkopierte kostenlose eBooks sind erst recht ein Problem, und am anderen Ende des Spektrums haben wir das Problem, dass eBooks aktueller Print-Bestseller viel zu teuer sind. Aber Regulative sind nicht die richtige Lösung, glaube ich. Auf dem eBook-Markt herrscht derzeit Goldgräberstimmung, und im Moment bin ich erst mal dafür, abzuwarten und locker zu bleiben und zu sehen, wohin dieser Markt sich entwickelt. Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis (hab ich in der Banklehre gelernt (lacht), und wenn die Schleuderpreise für eBooks sich dauerhaft etablieren, müssen wir uns etwas einfallen lassen. Die Vorstellung von Werbebannern auf der Titelseite meiner eBooks macht mich nicht gerade glücklich, aber es gibt schlimmere Zukunftsszenarien.

Stichwort Urheberrechtsdebatte. Da wird verbal zunehmend schärfer geschossen. Haben Sie in dieser Sache schon eine Petition unterzeichnet? Und falls ja – welche und weshalb? Oder halten Sie Ihren Namen von solchen Dokumenten grundsätzlich lieber fern?

Ich habe im Mai 2012 die „Wir sind die Urheber“-Petition unterschrieben, weil sie sich mit meiner Ansicht zu diesem Thema deckte. Ich habe mir auch Sven Regeners Wutrede zwei- oder dreimal angehört, weil sie mir so aus der Seele sprach. Inzwischen glaube ich aber, dass wir die Debatte mit weniger Emotionen führen und beide Seiten mal aus ihren Schützengräben kommen müssen. Der Schutz des geistigen Eigentums ist eine große Errungenschaft der Zivilisation, die wir nicht leichtfertig in die Tonne treten sollten. Und das Urheberrecht ist Grundlage meiner wirtschaftlichen Existenz. Es bringt ja nichts, immer wieder zu behaupten, nur die bösen Verwerter-Konzernriesen profitierten davon, das ist ja unwahr. Aber es bringt auch nichts, diejenigen zu kriminalisieren, die ohne jedes Unrechtsbewusstsein gegen das Urheberrecht verstoßen und sich kostenlose Musik, eBooks oder Hörbücher herunterladen. Das Urheberrecht wird sich einfach ändern müssen, um nicht aus der Zeit zu fallen. Es muss den Bedürfnissen der Urheber ebenso Rechnung tragen wie den technischen Entwicklungen des digitalen Zeitalters. Ich habe offen gestanden keine klare Vorstellung, wie so ein neues Urheberrecht aussehen müsste, um einen fairen Interessenausgleich herzustellen. Aber ich bin ja auch Schriftstellerin und keine Juristin. Ich werde die Debatte weiter verfolgen und mich einmischen, aber eingraben werde ich mich nicht mehr.

Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da Ihrer Meinung nach etwas dran?

Ja. Vielleicht nicht „anrüchig“ in dem Sinne wie Selbstverlag oder Zuschussverlage im Printbereich, aber durch diese neue Form der Selbstvermarktung ist ein Teil des Marktes schon abgeschöpft, und damit ist der Titel für einen Printverlag weniger attraktiv. Hat das selbstvermarktete eBook aber einen bescheidenen Erfolg erzielt und man bietet einem Verlag ein neues, unveröffentlichtes Buch an, sieht die Sache schon wieder anders aus, denke ich.

Würden Sie selbst sich in nächster Zeit mit einem Text als Selbstpubliziererin versuchen? Falls dem so ist, weshalb?

Nein, momentan nicht. Ich fände es zwar spannend zu sehen, wie sich solch ein Experiment entwickeln würde, aber ich habe einfach keine Zeit, meine eigene Verlegerin zu sein. Ich will ja eigentlich nur Bücher schreiben ...

Viele Experten sehen mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht. Sie ebenfalls?

Ja, so wehmütig mich das auch stimmt. Aber wir erleben ja jetzt schon, dass selbst große Buchhandelsketten ihre Verkaufsflächen verkleinern. Also nicht nur der kleine Buchladen um die Ecke tut sich zunehmend schwer. Ich glaube allerdings nicht, dass das große Buchhandlungs-Sterben so schnell um sich greifen wird, wie manche befürchten. Die Leserinnen und Leser, die, sagen wir mal, jetzt so um die Vierzig und älter sind (also die Bevölkerungsmehrheit), werden dem gedruckten Buch noch lange die Treue halten, und für viele gehört das Stöbern in der Buchhandlung dazu.

Sie sind ja als Spezialistin für’s Mittelalter bekannt, das ist die Ära in der die Mehrzahl Ihrer Romane angesiedelt ist. Gemeinhin gilt das Mittelalter ja als düster, brutal und borniert. Ich weiß, dass Sie selbst diese Ansichten gerne etwas relativeren möchten. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen - hier die Frage: Worin besteht Ihrer Meinung nach, die augenfälligste Parallele zwischen dem 21 Jahrhundert und dem Mittelalter?

In der Macht des Geldes. Mitte des 14. Jahrhunderts musste ein englischer König seine Königin als Pfand bei seinen Gläubigern in den reichen Niederlanden zurücklassen und seine Krone bei einem Erzbischof gegen Bares verpfänden, weil er sich um jeden Preis neues Geld beschaffen musste. Ein Krieg (den er schon aus rein wirtschaftlichen Interessen begonnen hatte) hatte ihn völlig ruiniert, und ohne neues Kapital konnte er ihn nicht fortführen und wäre politisch am Ende gewesen. In der Folge gewann sein Bankier immer größeren Einfluss auf seine Politik, so wie das berühmte Handels- und Bankhaus der Fugger mit seinem Geld jahrhundertelang die deutschen Kaiser lenkte und beherrschte. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?

Was wirft Sie bei der Arbeit an einem neuen Roman eigentlich garantiert „aus der Bahn“? 

Ich arbeite zwei Jahre an einem Roman. In so einer langen Zeit passieren einfach Dinge, die einen von der Arbeit ablenken: Der Rummel rund um das Erscheinen des zuletzt fertiggestellten Buchs (für den Rummel bin ich allerdings dankbar), andere wichtige Projekte wie etwa die Zusammenarbeit mit meinen Übersetzern oder auch größere und kleinere Katastrophe im privaten Umfeld. Das nennt man das Leben, glaube ich, und damit muss schließlich jeder klar kommen. Künstler haben kein Grundrecht darauf, im Elfenbeinturm zu sitzen und davon verschont zu werden.

Was ist das absolute „No-Go“ für Autoren im Umgang mit ihren Lesern?

Schluderige Arbeit. Nicht jedes Buch gelingt gleich gut, nicht jedes Buch kann allen Lesern gefallen, aber sie sollten sich darauf verlassen können, dass der Autor oder die Autorin ihr Bestmögliches getan haben.

Und ganz zum Schluss: Welche Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?

Keine. Mein Sendungsbewusstsein – falls ich denn überhaupt eines habe – hat in meinen Romanen reichlich Platz, sich Ausdruck zu verschaffen.



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