Da ist es, das
Skandälchen, das passend zum auslaufenden Sommerloch seine Wellen durch die
Blogs, Fachmagazine und Feuilletons zieht.
In bestimmten
Fällen scheint es sogar so zu sein, dass sie sich Jubelrezensionen erkauft
haben. In anderen nutzten die fraglichen Kollegen angeblich so genannte
„Sockenpuppen“, also gefakte Netz-Identitäten, um ihre eigenen Titel auf den
bekannten Verkaufsplattformen mit Jubelrezensionen zu beschenken.
Was für ein böser
Schlag ins Kontor.
Zweifellos war
die Mehrheit der Leser bisher absolut überzeugt davon, dass sämtliche
Buchrezensionen auf Amazon, iTunes oder anderswo im Netz ehrlich und aufrichtig
die Meinung eines objektiven Rezensenten widerspiegeln.
Nun – nachdem das
sprichwörtliche Kind in den genauso sprichwörtlichen Brunnen fiel - steht zu erwarten, dass sie sich in hellen
Scharen enttäuscht und angeekelt von diesen Kollegen abwenden werden.
Und wie hoch der Schaden aus diesem Skandal
für den gesamten E-Bookmarkt ist, sei - so hört und liest man allenthalben -
noch gar nicht abzusehen. Wieder einmal
werden Petitionen herumgereicht und bastelt man an verschiedenen Orten sogar an
einem Ethik Codex für Autoren.
Lassen Sie mich
mit Hilfe einer kurzen Geschichte (aus dem wahren Leben) begründen, weswegen
ich persönlich gewisse Schwierigkeiten habe, eine dieser Petitionen zu
unterzeichnen (Nicht, dass irgendwer sich wirklich darum scheren würde, ob Herr
Gray nun seinen Namen unter eine davon setzt)
Stellen wir uns
vor:
Das luftig helle
Büro eines Cheflektors in irgendeinem der großen Publikumsverlage. Gerade hat
besagter Cheflektor, nennen wir ihn Herrn A, zu einem Spottpreis einen netten
kleinen Roman eingekauft, vielleicht einen Thriller oder einen witzigen
Liebesroman, wie er in letzter Zeit ja wieder in Mode gekommen zu sein
scheint.
Das Skript hat
alles, worauf Herr A nur hoffen durfte, es ist spannend, dabei dennoch nicht
ganz niveaulos, und es wird sich wahrscheinlich verkaufen wie Butter auf Brot.
Nur hat Herr
A auch Hürden zu überwinden, bevor er
mit den Verkaufszahlen des Büchleins beim Management Eindruck schinden
kann.
Denn dummerweise stammt
jenes Büchlein nicht aus der Feder eines der bekannten Bestsellerautoren,
sondern von einem Neuling, dessen Namen bislang weder den Lesern noch den
Feuilletonnisten irgendetwas sagt.
Andererseits hat
Herr A es – wie erwähnt – zu unschlagbar günstigen Konditionen eingekauft und
kann daher mit einem sehr hübschen Gewinn rechnen, sollte es ihm irgendwie doch
gelingen das Buch in die Bestsellerliste zu katapultieren.
Was tun?
Herr A greift zum
Telefon und tätigt einige Anrufe.
Wen er da anruft?
Seine Bestsellerautoren.
Bevorzugt
diejenigen, deren letzte oder vorletzte Titel im selben Genre erschienen, wie
jenes kleine Büchlein des Neulings.
„Schreib mir doch
einen Blurb. Es wird Dein Schaden bestimmt nicht sein“ bittet er seine Spitzenautoren.
Und, da Herr A dies nicht zum ersten Mal tut, findet er sehr rasch eine seiner
Edelfedern, die ihm nur allzu gern seinen Wunsch erfüllt.
Vielleicht ist es
angebracht hier zu erläutern was ein Blurb
eigentlich ist. Bei einem Blurb handelt es sich um einen kurzen, möglichst
prägnanten und witzigen Slogan mit dem
gut sichtbar auf dem Cover eines Buches dessen Qualitäten angepriesen werden. Beispiele gefällig?
Bitte sehr: „It is perhaps the best of the epic
fantasies – readable and realistic“ die Bestsellerautorin Marion Zimmer Bradley
über “A Game of Thrones“ von George R. R. Martin.
Ein anderes
Beispiel?
Ich nehme an das
Prinzip ist grundlegend soweit verstanden worden?
Ja?
Dann zurück zu
Cheflektor A und dessen Edelfeder, nennen wir sie Frau Y.
Frau Y, gestehen
wir ihr soviel Respektabilität zu, dass sie das Buch des Neulings auch wirklich
liest, entwirft einige Blurbs und sendet sie zu Herrn A. Der nichts Eiligeres
zu tun hat, als diese aufs Cover seines neuesten Demnächst-Blockbusters drucken
zu lassen.
Einmal soweit
gekommen, lässt er sich in aufgeräumter Stimmung mit seinen fünf bis achtzehn
Lieblings Feuilletonnisten verbinden, um denen das neue Buch ans Kritikerherz
zu legen.
Wobei er
natürlich nicht versäumt stolz darauf hinzuweisen, wie begeistert seine
Spitzenautorin Frau Y von dem Werk des Neulings gewesen war.
Außerdem sei es
doch sowieso mal wieder an der Zeit das Spesenkonto des Verlages für ein
gemeinsames Essen zu plündern und die Einladung zur Verlagsfete in Gran
Canaria, die steht selbstverständlich auch - vier Tage im Fünf Sterne Hotel bei
voller Verpflegung und ungehinderter Zugang zu allen dort anwesenden Autoren, extra
eingeflogenen Promis und Verlagsmitarbeitern.
Vorstellbar, dass
zwei bis drei der fünf bis achtzehn Lieblingsfeuilletonnisten Herrn A’s, zum fraglichen Zeitpunkt gerade
anderswo in der Welt unterwegs sind und daher dankend ablehnen müssen.
Alle übrigen
nehmen Herrn A’s großzügiges Angebot allerdings erfreut an und wie durch
Zauberhand (oder eben gerade NICHT wie durch Zauberhand) füllen sich pünktlich
zum Marktstart des Romans unseres Neulings die Seiten der einschlägigen Feuilletons
mit Kritiken und Besprechungen.
Nicht wenige davon erwähnen neben unserem
Neuling auch Edelfeder Frau Y und zitieren deren begeisterten Blurb, was
wiederum auch Frau Y’s letzten Titel erneut ins Gespräch bringt.
Außer dem Verlag
verdienen sich spätestens zur großen Fete auf Gran Canaria auch noch Lufthansa
und Hotel eine silberne Nase.
Ende gut, alles
gut.
Wirklich?
Nein.
Denn ich frage
mich, ob man hier nicht ausnahmsweise eben doch Äpfel mit Birnen vergleichen
darf.
Unterscheidet
sich die Wirkung eines Blurbs eines bekannten Kollegen auf einem Buchcover,
oder – besser noch – zitiert in einer Kritik in irgendeiner Zeitung oder
TV-Sendung, denn tatsächlich so sehr von der einer Eigenrezension irgendeines Indie –Autoren?
Zumal wenn man
dazu in Betracht zieht, wie eng die Verlagswelt traditionell mit den
Redaktionen der großen Zeitungen und TV Sender verknüpft ist und sich diese
Verknüpfung in Zeiten von Internet und
Crosspromotion Jahr für Jahr nur noch enger gestalten zu scheint.
Ich glaube, dass
hier kein wirklich sauberer Strich zu ziehen ist.
Im Grunde, sitzen wir Autoren
in dieser Beziehung alle im selben Glashaus, und ob wir es uns offen eingestehen
wollen oder nicht, am Ende des Tages sehen wir alle uns gezwungen so laut und
raffiniert und lang anhaltend für unsere Titel die Trommel zu rühren, wie es
uns nur irgend möglich ist.
Nein, ich bin
nicht begeistert von den Neuigkeiten über Sockenpuppen und gekaufte
Fakerezensionen.
Aber ich lebe auch
nicht in einer idealen Märchenwelt. Und bisher neige ich daher eher nicht dazu
irgendeine der Petitionen zu unterzeichnen, solange sich da nicht auch die
Namen einiger Damen und Herrn vom beruflichen Profil eines Herrn A oder seiner
Feuilletonistenfreunde finden lassen.
Ein gewisses Maß an Heuchelei ist
sicherlich gesund für jeden, der seine Bücher nicht nur zur Befriedigung
persönlicher Eitelkeiten auf den Markt wirft, sondern damit auch Geld
verdienen will.
Schwierig wird es allerdings immer dann, wenn man sich vor die
Entscheidung darüber gestellt sieht WIE hoch dieses Maß an Heuchelei wirklich
sein darf, bevor es zwangsläufig die Grenze zur offenen Farce überschreitet.
Herr Gray bedankt
sich für Ihre Aufmerksamkeit.
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Das sind Pfandflaschen tatsächlich nicht, noch nicht mal für Autoren |