Hallo Frau Gablé vielen herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit
nehmen, meine Fragen zu beantworten. Ihre
Titel schaffen es regelmäßig auf die SPIEGEL Bestsellerliste. Sie sind eine
echte deutsche Bestsellerautorin, von denen es so viele ja nun auch nicht gibt.
Sie haben eines
Tages beschlossen Ihren Brotberuf als Bankkauffrau aufzugeben und Ihr Glück ausgerechnet
mit einem Literaturstudium zu versuchen. Ziemlich mutige Entscheidung. Gab’s
einen Plan B, oder haben Sie bildlich gesprochen damals „alle Brücken hinter
sich abgebrannt“?
Ich habe das Literaturstudium mit dem Berufsziel
„Schriftstellerin“ begonnen, aber natürlich war mir klar, dass das ziemlich
unrealistisch war, zumal ich zu dem Zeitpunkt schon drei Jahre erfolgloser
Verlagssuche für meinen ersten Roman hinter mir hatte. Plan B war, notfalls
nach dem Examen in meinen alten Beruf zurückzukehren. Während des Studiums
entwickelte sich dann aber glücklicherweise Plan C, der auch zur Anwendung kam:
Ich habe neben dem Schreiben einige Jahre als Literaturübersetzerin gearbeitet.
Rebecca Gablé © Olivier Favre 2011 |
Wie viele
Buchverkäufe braucht es eigentlich bevor man sich mit Fug und Recht im
Printbereich „Bestsellerautorin„ nennen darf?
Fragen Sie drei Leute, bekommen Sie drei verschiedene Antworten.
Irgendwo las ich kürzlich, ein Beststeller sei ein Buch, das 20.000 Exemplare
verkauft habe. Das kommt mir ziemlich willkürlich vor. Es ist letztlich eine
Frage der Definition. Ist ein Buch ein Bestseller, das es auf Platz 50 der
Buchreport-Bestsellerliste (deren Plätze 1 bis 20 wöchentlich im SPIEGEL
stehen) geschafft hat? Dann können 10.000 oder 15.000 verkaufte Exemplare
durchaus reichen. Oder ist ein „richtiger“ Bestseller nur ein Titel, der es in
die Top 10 geschafft hat? Dann müsste man die Zahlen in etwa verdreifachen,
schätze ich. Es hängt natürlich auch von der Jahreszeit ab: Im Sommerloch, wenn
wenige Hardcover erscheinen, reichen vielleicht schon 20.000 für die Top 10. Im
September und Oktober, wenn die Novitäten gleich dutzendweise ins
Weihnachtsgeschäft fluten, kommt man damit kaum über Platz 30. Sie können mit
einem gut vermarkteten Titel mal kurz in die Top 10 hochschießen, aber
insgesamt die 30.000-Marke niemals knacken, aber Sie können einen langsam dahin
schleichenden Longseller 200.000 mal verkaufen, ohne je auf einer
Bestsellerliste zu stehen. Woran man sehen kann, wie absurd diese Listen als
Erfolgsmesser eigentlich sind.
Immerhin gibt es
mittlerweile Indie-Autoren, die behaupten ihre Bücher mehrere Zehntausend Mal
verkauft zu haben. Jonas Winner hat sogar die 100.000der Marke mit seiner
Berlin-Gothic-Serie geknackt.
Andererseits wird
ja allenthalben immer wieder behauptet, dass man vom Beruf des Autors nicht
leben könne. Hellen solche Verkaufszahlen im Independent-Bereich die Aussichten
für Nachwuchsautoren generell nicht doch etwas auf?
Ich finde es sehr spannend, wie die Autoren- und die Bücherlandschaft
sich durch das Netz und das eBook verändern. Aber so märchenhafte Erfolgsstorys
wie Amanda Hocking oder E.L. James können nicht darüber hinwegtäuschen, dass
die wirtschaftliche Situation für junge Autorinnen und Autoren unverändert schwierig
ist. Als Newcomer einen Printverlag zu finden war noch nie so schwer wie heute,
weil viele Verlage ihre Programme verkleinern. Die Selbstvermarktung im Netz
bietet natürlich neue Chancen, aber in einem so großen Meer mit so vielen
Fischen darin wahrgenommen zu werden, ist bestimmt nicht einfach. Andererseits:
Schreiben war immer schon ziemlich brotlos. Wenn man damit anfängt, kann man
unmöglich wissen, ob es einen jemals ernähren wird, und die Chancen sind eher
gering. Darum ist Schreiben etwas, das man eigentlich nur aus Leidenschaft
machen kann. Wenn man sehr hart arbeitet und sehr viel Glück hat, kann man
möglicherweise eines Tages davon leben. Wenn nicht, muss man sich einen anderen
Job suchen, aber es bleibt immer noch die Schreib-Leidenschaft. So war das
schon bei den Minnesängern, und so ist es auch im digitalen Zeitalter (lacht)
Sie sind einer der
Kollegen, die konsequent das Internet für sich nutzen. Sie betreiben eine gut
sortierte Webseite und sind bei Facebook mit einer Fanseite vertreten. Welchen Fehler sollten Kollegen Ihrer Meinung
nach bei der Kommunikation mit ihren Lesern im Internet unbedingt vermeiden?
Kollegen-Bashing und andere Indiskretionen, die einem irgendwann
mal um die Ohren fliegen könnten. Junge KollegInnen der Digital
Natives-Generation wissen das ja bestimmt viel besser als ich, aber ich habe
manchmal das Gefühl, man kann nicht oft genug darauf hinweisen: Das Netz hat ein
ewig währendes Gedächtnis. Also ganz egal, wie kuschelig sich der Umgang mit
treuen Lesern auf Facebook oder sonst wo irgendwann anfühlt, ein gesundes Maß
an Zurückhaltung ist immer angebracht.
Wie sehen Sie den
E-Book Markt als Verlagsautor? Ist da finanziell bisher wirklich etwas für Sie „zu
holen gewesen“? Oder ist das aktuell immer noch eher ein Nebengeschäft für Sie?
Es ist ein Nebengeschäft, das in den letzten Monaten aber
angezogen ist. Ich glaube, wir erleben gerade, wie der Schneeball ins Rollen
gerät, der jetzt ziemlich schnell größer und größer werden wird.
Es existiert in
der gesamten Buchbranche ja eine Debatte darüber, wie schädlich es für den
Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr
von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist
es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?
Die würde ich gerne mal sehen, diese Reißleine (lacht) Natürlich sind eBooks zu
Schleuderpreisen ein Problem. Raubkopierte kostenlose eBooks sind erst recht
ein Problem, und am anderen Ende des Spektrums haben wir das Problem, dass
eBooks aktueller Print-Bestseller viel zu teuer sind. Aber Regulative sind
nicht die richtige Lösung, glaube ich. Auf dem eBook-Markt herrscht derzeit Goldgräberstimmung,
und im Moment bin ich erst mal dafür, abzuwarten und locker zu bleiben und zu
sehen, wohin dieser Markt sich entwickelt. Angebot und Nachfrage bestimmen den
Preis (hab ich in der Banklehre gelernt (lacht),
und wenn die Schleuderpreise für eBooks sich dauerhaft etablieren, müssen wir
uns etwas einfallen lassen. Die Vorstellung von Werbebannern auf der Titelseite
meiner eBooks macht mich nicht gerade glücklich, aber es gibt schlimmere
Zukunftsszenarien.
Stichwort
Urheberrechtsdebatte. Da wird verbal zunehmend schärfer geschossen. Haben Sie
in dieser Sache schon eine Petition unterzeichnet? Und falls ja – welche und
weshalb? Oder halten Sie Ihren Namen von solchen Dokumenten grundsätzlich
lieber fern?
Ich habe im Mai 2012 die „Wir sind die Urheber“-Petition
unterschrieben, weil sie sich mit meiner Ansicht zu diesem Thema deckte. Ich
habe mir auch Sven Regeners Wutrede zwei- oder dreimal angehört, weil sie mir
so aus der Seele sprach. Inzwischen glaube ich aber, dass wir die Debatte mit
weniger Emotionen führen und beide Seiten mal aus ihren Schützengräben kommen
müssen. Der Schutz des geistigen Eigentums ist eine große Errungenschaft der
Zivilisation, die wir nicht leichtfertig in die Tonne treten sollten. Und das
Urheberrecht ist Grundlage meiner wirtschaftlichen Existenz. Es bringt ja
nichts, immer wieder zu behaupten, nur die bösen Verwerter-Konzernriesen
profitierten davon, das ist ja unwahr. Aber es bringt auch nichts, diejenigen
zu kriminalisieren, die ohne jedes Unrechtsbewusstsein gegen das Urheberrecht
verstoßen und sich kostenlose Musik, eBooks oder Hörbücher herunterladen. Das
Urheberrecht wird sich einfach ändern müssen, um nicht aus der Zeit zu fallen.
Es muss den Bedürfnissen der Urheber ebenso Rechnung tragen wie den technischen
Entwicklungen des digitalen Zeitalters. Ich habe offen gestanden keine klare
Vorstellung, wie so ein neues Urheberrecht aussehen müsste, um einen fairen
Interessenausgleich herzustellen. Aber ich bin ja auch Schriftstellerin und
keine Juristin. Ich werde die Debatte weiter verfolgen und mich einmischen,
aber eingraben werde ich mich nicht mehr.
Unter vielen
Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte seine Werke selbst
als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig
betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist
da Ihrer Meinung nach etwas dran?
Ja. Vielleicht nicht „anrüchig“ in dem Sinne wie Selbstverlag
oder Zuschussverlage im Printbereich, aber durch diese neue Form der Selbstvermarktung
ist ein Teil des Marktes schon abgeschöpft, und damit ist der Titel für einen
Printverlag weniger attraktiv. Hat das selbstvermarktete eBook aber einen
bescheidenen Erfolg erzielt und man bietet einem Verlag ein neues,
unveröffentlichtes Buch an, sieht die Sache schon wieder anders aus, denke ich.
Würden Sie selbst
sich in nächster Zeit mit einem Text als Selbstpubliziererin versuchen? Falls
dem so ist, weshalb?
Nein, momentan nicht. Ich fände es zwar spannend zu sehen, wie
sich solch ein Experiment entwickeln würde, aber ich habe einfach keine Zeit,
meine eigene Verlegerin zu sein. Ich will ja eigentlich nur Bücher schreiben ...
Viele Experten
sehen mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren
Licht. Sie ebenfalls?
Ja, so wehmütig mich das auch stimmt. Aber wir erleben ja jetzt
schon, dass selbst große Buchhandelsketten ihre Verkaufsflächen verkleinern.
Also nicht nur der kleine Buchladen um die Ecke tut sich zunehmend schwer. Ich
glaube allerdings nicht, dass das große Buchhandlungs-Sterben so schnell um
sich greifen wird, wie manche befürchten. Die Leserinnen und Leser, die, sagen
wir mal, jetzt so um die Vierzig und älter sind (also die
Bevölkerungsmehrheit), werden dem gedruckten Buch noch lange die Treue halten,
und für viele gehört das Stöbern in der Buchhandlung dazu.
Sie sind ja als
Spezialistin für’s Mittelalter bekannt, das ist die Ära in der die Mehrzahl
Ihrer Romane angesiedelt ist. Gemeinhin gilt das Mittelalter ja als düster,
brutal und borniert. Ich weiß, dass Sie selbst diese Ansichten gerne etwas
relativeren möchten. Dennoch – oder vielleicht gerade deswegen - hier die
Frage: Worin besteht Ihrer Meinung nach, die augenfälligste Parallele zwischen
dem 21 Jahrhundert und dem Mittelalter?
In der Macht des Geldes. Mitte des 14. Jahrhunderts musste ein
englischer König seine Königin als Pfand bei seinen Gläubigern in den reichen
Niederlanden zurücklassen und seine Krone bei einem Erzbischof gegen Bares
verpfänden, weil er sich um jeden Preis neues Geld beschaffen musste. Ein Krieg
(den er schon aus rein wirtschaftlichen Interessen begonnen hatte) hatte ihn
völlig ruiniert, und ohne neues Kapital konnte er ihn nicht fortführen und wäre
politisch am Ende gewesen. In der Folge gewann sein Bankier immer größeren
Einfluss auf seine Politik, so wie das berühmte Handels- und Bankhaus der
Fugger mit seinem Geld jahrhundertelang die deutschen Kaiser lenkte und
beherrschte. Kommt Ihnen das irgendwie bekannt vor?
Was wirft Sie bei der Arbeit an einem neuen Roman eigentlich
garantiert „aus der Bahn“?
Ich arbeite zwei
Jahre an einem Roman. In so einer langen Zeit passieren einfach Dinge, die
einen von der Arbeit ablenken: Der Rummel rund um das Erscheinen des zuletzt
fertiggestellten Buchs (für den Rummel bin ich allerdings dankbar), andere
wichtige Projekte wie etwa die Zusammenarbeit mit meinen Übersetzern oder auch
größere und kleinere Katastrophe im privaten Umfeld. Das nennt man das Leben,
glaube ich, und damit muss schließlich jeder klar kommen. Künstler haben kein
Grundrecht darauf, im Elfenbeinturm zu sitzen und davon verschont zu werden.
Was ist das absolute „No-Go“ für Autoren im Umgang
mit ihren Lesern?
Schluderige
Arbeit. Nicht jedes Buch gelingt gleich gut, nicht jedes Buch kann allen Lesern
gefallen, aber sie sollten sich darauf verlassen können, dass der Autor oder
die Autorin ihr Bestmögliches getan haben.
Und ganz zum Schluss: Welche Frage wollten Sie schon
immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade
diese?
Keine. Mein
Sendungsbewusstsein – falls ich denn überhaupt eines habe – hat in meinen
Romanen reichlich Platz, sich Ausdruck zu verschaffen.
Rebecca Gablés Autorenseite bei Amazon.de |
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