Dienstag, 17. Juli 2012

Bestsellerautor A. Eschbach - kein Blackout


Hallo Andreas Eschbach, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen meine Fragen zu beantworten.  Sie sind ein echter deutscher Bestsellerautor, von denen es so viele ja nun auch nicht gibt. Mehrere Ihrer Titel schafften es auf die SPIEGEL Bestsellerliste. Trotzdem fand ich auf Ihrer Webseite den Hinweis, dass weniger als 100 freie Autoren im deutschen Sprachraum wirklich von ihren Büchern leben können.

Woran liegt’s? Zahlt sich die SPIEGEL Bestsellerliste für Hardcover doch schlechter aus als man gemeinhin annimmt? 

Die meisten Menschen haben in der Tat völlig übertriebene Vorstellungen davon, was man mit Büchern verdienen kann. Tatsächlich macht das gesamte deutsche Verlagswesen nicht mehr Umsatz als eine der großen Kaufhausketten. Man muss als Autor schon sehr erfolgreich sein, um ein Einkommen zu erzielen, das sich mit dem eines normalen leitenden Angestellten messen kann. Und das, obwohl der deutschsprachige Buchmarkt der drittgrößte der Welt ist!
Deswegen sage ich immer, Schriftsteller ist kein Beruf, sondern eine Karriere, vergleichbar dem Tennisspielen. Wenn man da nur auf Ranglistenplatz 95 ist, muss man auch schon kratzen, um durch den Monat zu kommen. Auch wenn die auf den einstelligen Ranglistenplätzen absahnen.

Immerhin gibt es mittlerweile Indie-Autoren, die behaupten ihre Bücher mehrere Zehntausend Mal verkauft zu haben. Das sollte die Aussichten für Nachwuchsautoren doch etwas aufhellen, oder nicht?  

Ja, da entsteht ein faszinierendes neues Betätigungsfeld. Allerdings schlüpfen die richtig erfolgreichen Indie-Autoren bis jetzt doch gern unter die Fittiche eines Verlages, wenn einer ruft – was meines Erachtens zeigt, dass Verlage immer noch ihre Daseinsberechtigung haben. Man kann das ganz fundamental betrachten: Fortschritt heißt immer, feinere Arbeitsteilung. Es ist für einen Autor vorteilhaft, sich ganz aufs Schreiben konzentrieren und alles, was mit der Publikation zu tun hat, anderen überlassen zu können.
Verlage sind von ihrer Funktion im kulturellen Prozess her „Qualitätsportale“ – von einem Roman, der bei Diogenes erscheint, erwartet man etwas Bestimmtes, von einem Roman, der bei Bastei-Lübbe erscheint, etwas anderes. Durch die Bündelung der Autoren, die unter dem Dach eines Verlags erscheinen, entsteht ein gemeinsames Bild, das auf alle Autoren abfärbt und zu dem neue Publikationen passen müssen. Das Ganze ist eine Orientierungshilfe für Leser, die Bücher zu finden, die ihnen zusagen. Sollten Verlage vergessen, dass dies ihre Kernfunktion ist, kann es sein, dass sie verschwinden. Was ich, wohlgemerkt bei aller Sympathie für den Indie-Bereich, bedauern würde.

Sie sind einer der Kollegen, die ziemlich früh konsequent das Internet für sich genutzt haben. Sie betreiben eine gut sortierte Webseite, sind bei G+ aktiv und für Ihre Bücher existieren Fanseiten bei Facebook. Sind Sie einfach nur fasziniert vom World Wide Web oder ist es für Sie auch knallhart kalkuliertes Geschäft da möglichst breit sichtbar zu sein?

Also, den Begriff „knallhart kalkulieren“ bringe ich mit meiner Lebenseinstellung nicht zusammen. Jemand, der „knallhart kalkuliert“, lässt das Schreiben und macht etwas, das richtig Geld einbringt – wird Unternehmer oder Hedgefond-Manager oder dergleichen.
Nein, das Internet hat mich als computeraffinen Menschen natürlich von Anfang an fasziniert, und eine eigene Website zu basteln, das hatte immer etwas von „ich mache eine Schülerzeitung“. In der Hauptsache mache ich es also, weil es Spaß macht. Und so breit sichtbar bin ich gar nicht; ich bin beispielsweise nicht bei Facebook – anfangs ehrlich gesagt deshalb, weil mich das Design der Seite abstieß. Inzwischen sind es andere Dinge, die mich daran abstoßen.


Andreas Eschbach (Foto: © 2011 Marianne Eschbach)


Wie sehen Sie den E-Book Markt als Verlagsautor? Ist da bisher etwas für Sie zu holen gewesen? Bringt das E-Book langfristig Schaden, ist es womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht irgendetwas dazwischen? 

Ich sehe es zunächst einfach als neues Medium. Und wie jedes neue Medium bringt es erst mal Aufruhr in die bestehenden Verhältnisse, bis sich ein neues Gleichgewicht einpendelt.
Wobei ich gestehen muss, dass ich anfangs skeptisch war. Lesen am Bildschirm? Das war mir unvorstellbar – bis ich damals ein Rocket-Book in die Hand bekam und mich unversehens in einer Kurzgeschichte von Frederik Forsyth festlas. Da war ich bekehrt und habe mir das Ding gekauft. Leider gab es wenige Bücher dafür, und dann machte die Firma Pleite, was mich auf die harte Tour lehrte, dass DRM nicht die Lösung sein kann.
Nach einigen Jahren Abstinenz habe ich mir dann wieder einen Reader zugelegt, ein eher exotisches Modell, dessen Bedienbarkeit nicht schwiegermutterkompatibel wäre, aber muss ja nicht. Ich benutze das Gerät vor allem, um meine eigenen Manuskripte in den verschiedenen Stadien der Entstehung probezulesen. An den Markt der verfügbaren eBücher taste ich mich erst heran – bis jetzt lade ich meist nur Leseproben, anhand derer ich dann entscheide, welche Bücher ich mir zulege … aber in Papierform. Bis jetzt, wie gesagt.

Immerhin bürgt ein Verlagslabel auf dem Buchcover ja dafür, dass da Lektorat, Korrektorat, Cover und was dergleichen noch mehr ist, professionell gehandhabt wurden. Wird das allein ausreichen um in der derzeit immer schärfer werdenden Konkurrenz im E-Book Markt zwischen Indie-Autoren und Verlagsautoren langfristig mithalten zu können?

Sie vergessen das Marketing, allem voran die Platzierung der Bücher in den Buchhandlungen. Das ist bis jetzt nach wie vor Verkaufshilfe Nummer eins: Wenn das Ding im Laden steht.
Aber gut möglich, dass gerade eine Generation heranwächst, die es seltsam finden wird, dass man mal Bücher auf Papier gedruckt hat. Das wird die Spielregeln natürlich ändern.
Nicht ändern wird sich, dass ein Buch eines Lektorats – oder mehrerer – bedarf, um zu seinem vollen Potential zu finden. Was aber nicht zwingend einen Verlag voraussetzt; das sind Dienstleistungen, die man auch einkaufen kann – oder eintauschen, wie es ja wohl inzwischen viele Autoren machen, was ich so mitkriege.
Auch die zur Verfügung stehenden Tools werden immer besser – wenn ich an dieser Stelle auf die Textverarbeitung „Papyrus“ hinweisen darf, deren Entwickler dankenswerterweise ein paar Vorschläge von mir, was ein wirklich professionelles Schreibprogramm können sollte, umgesetzt haben, sodass nun eine Software zur Verfügung steht, die doppelte Wörter anzeigt, Passivkonstruktionen anmahnt und auf schwierig lesbare Textstellen hinweist und so weiter. Kann einen menschlichen Lektor nicht ersetzen, aber trotzdem viel bringen.

In der Buchbranche debattiert man ja heiß darüber, ob es schädlich für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?

Wie sollte so eine Reissleine aussehen? Nein, Preise bilden sich durch Angebot und Nachfrage; da sehe ich kein Problem. Die Buchverlage hatten bis jetzt ja auch kein Problem damit, dass man an Kiosken Heftromane für wenig Geld kaufen konnte. Von denen sind auch nicht alle schlecht, und sie haben Auflagen, die die der meisten Bücher in den Schatten stellen. Das wird sich schon alles einpendeln, da braucht man sich keine Sorgen zu machen.

Stichwort Urheberrechtsdebatte. Da wird verbal zunehmend schärfer geschossen. Haben Sie in dieser Sache schon eine Petition unterzeichnet? Und falls ja – welche und weshalb? Oder halten Sie Ihren Namen von solchen Dokumenten grundsätzlich lieber fern?

Nein, ich habe keine Petition unterzeichnet. Ich habe mich an ein paar Diskussionen beteiligt, als das Thema hoch kochte, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass das ein Sturm im Wasserglas ist: Das Urheberrecht ist erstens ein international abgestimmtes Recht und zweitens für eine moderne Gesellschaft unverzichtbar; da wird sich grundlegend nicht viel ändern, ganz egal, was in Onlineforen derzeit debattiert und gefordert wird.

Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da Ihrer Meinung nach etwas dran? 

Früher war das so, dass man seinem Werk durch eine Selbstpublikation den Weg in einen richtigen Verlag verbaut hat. Aber das ist inzwischen Geschichte. Würde ich heute als Autor anfangen, wäre das selbstpublizierte eBook auch mein Mittel der Wahl, wenn sich die Ablehnungsschreiben stapeln. Wie ich es ja anfangs auch erlebt habe – ich besitze von allen wichtigen deutschen Verlagen Ablehnungsschreiben, auch von denen, bei denen ich heute veröffentliche!

Nicht nur Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de sieht mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht. Sie ebenfalls?

Ja, ich auch. Als Buchhändler würde ich mir inzwischen eine Exit-Strategie überlegen. Ich fürchte, die Zahl der Buchhandlungen wird in zehn Jahren auf die Hälfte gesunken sein – und das wird auch die großen Ketten betreffen. Die vielleicht sogar vor allem.
Wer sich das nicht recht vorstellen kann, der überlege mal, wie viele Musikgeschäfte es vor fünfzehn Jahren gab und wie viele heute. 

Was wirft Sie bei der Arbeit an einem neuen Roman garantiert „aus der Bahn“? 

Reisen. Eine Woche vor und eine Woche nach einer Reise läuft bei mir praktisch nichts. Meine bisherigen Lesereisen haben zusammengenommen schon mindestens einen Roman gekostet, der ungeschrieben bleiben wird.

Was ist das absolute „No-Go“ für Autoren im Umgang mit ihren Lesern?

Leser für ihre Meinung zu kritisieren. Jeder Leser hat das Recht, jedes beliebige Buch nicht zu mögen, und wenn es zufällig das eigene Buch ist, muss man als Autor schlucken und es kommentarlos hinnehmen.




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