Hallo Andreas Eschbach, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit nehmen meine Fragen zu
beantworten. Sie sind ein echter
deutscher Bestsellerautor, von denen es so viele ja nun auch nicht gibt.
Mehrere Ihrer Titel schafften es auf die SPIEGEL Bestsellerliste. Trotzdem fand
ich auf Ihrer Webseite den Hinweis, dass weniger als 100 freie Autoren im
deutschen Sprachraum wirklich von ihren Büchern leben können.
Woran liegt’s? Zahlt sich die SPIEGEL Bestsellerliste für Hardcover doch schlechter aus als man gemeinhin annimmt?
Die meisten
Menschen haben in der Tat völlig übertriebene Vorstellungen davon, was man mit
Büchern verdienen kann. Tatsächlich macht das gesamte deutsche Verlagswesen
nicht mehr Umsatz als eine der großen Kaufhausketten. Man muss als Autor schon
sehr erfolgreich sein, um ein Einkommen zu erzielen, das sich mit dem eines
normalen leitenden Angestellten messen kann. Und das, obwohl der
deutschsprachige Buchmarkt der drittgrößte der Welt ist!
Deswegen sage ich
immer, Schriftsteller ist kein Beruf, sondern eine Karriere, vergleichbar dem
Tennisspielen. Wenn man da nur auf Ranglistenplatz 95 ist, muss man auch schon
kratzen, um durch den Monat zu kommen. Auch wenn die auf den einstelligen
Ranglistenplätzen absahnen.
Immerhin gibt es mittlerweile Indie-Autoren, die
behaupten ihre Bücher mehrere Zehntausend Mal verkauft zu haben. Das sollte die
Aussichten für Nachwuchsautoren doch etwas aufhellen, oder nicht?
Ja, da entsteht
ein faszinierendes neues Betätigungsfeld. Allerdings schlüpfen die richtig
erfolgreichen Indie-Autoren bis jetzt doch gern unter die Fittiche eines
Verlages, wenn einer ruft – was meines Erachtens zeigt, dass Verlage immer noch
ihre Daseinsberechtigung haben. Man kann das ganz fundamental betrachten: Fortschritt
heißt immer, feinere Arbeitsteilung. Es ist für einen Autor vorteilhaft, sich
ganz aufs Schreiben konzentrieren und alles, was mit der Publikation zu tun
hat, anderen überlassen zu können.
Verlage sind von
ihrer Funktion im kulturellen Prozess her „Qualitätsportale“ – von einem Roman,
der bei Diogenes erscheint, erwartet man etwas Bestimmtes, von einem Roman, der
bei Bastei-Lübbe erscheint, etwas anderes. Durch die Bündelung der Autoren, die
unter dem Dach eines Verlags erscheinen, entsteht ein gemeinsames Bild, das auf
alle Autoren abfärbt und zu dem neue Publikationen passen müssen. Das Ganze ist
eine Orientierungshilfe für Leser, die Bücher zu finden, die ihnen zusagen.
Sollten Verlage vergessen, dass dies ihre Kernfunktion ist, kann es sein, dass sie
verschwinden. Was ich, wohlgemerkt bei aller Sympathie für den Indie-Bereich,
bedauern würde.
Sie sind einer der Kollegen, die ziemlich früh
konsequent das Internet für sich genutzt haben. Sie betreiben eine gut
sortierte Webseite, sind bei G+ aktiv und für Ihre Bücher existieren Fanseiten
bei Facebook. Sind Sie einfach nur fasziniert vom World Wide Web oder ist es
für Sie auch knallhart kalkuliertes Geschäft da möglichst breit sichtbar zu
sein?
Also, den Begriff
„knallhart kalkulieren“ bringe ich mit meiner Lebenseinstellung nicht zusammen.
Jemand, der „knallhart kalkuliert“, lässt das Schreiben und macht etwas, das
richtig Geld einbringt – wird Unternehmer oder Hedgefond-Manager oder
dergleichen.
Nein, das
Internet hat mich als computeraffinen Menschen natürlich von Anfang an
fasziniert, und eine eigene Website zu basteln, das hatte immer etwas von „ich
mache eine Schülerzeitung“. In der Hauptsache mache ich es also, weil es Spaß
macht. Und so breit sichtbar bin ich gar nicht; ich bin beispielsweise nicht
bei Facebook – anfangs ehrlich gesagt deshalb, weil mich das Design der Seite
abstieß. Inzwischen sind es andere Dinge, die mich daran abstoßen.
Andreas Eschbach (Foto: © 2011 Marianne Eschbach) |
Wie sehen Sie den E-Book Markt als Verlagsautor? Ist
da bisher etwas für Sie zu holen gewesen? Bringt das E-Book langfristig
Schaden, ist es womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht
irgendetwas dazwischen?
Ich sehe es
zunächst einfach als neues Medium. Und wie jedes neue Medium bringt es erst mal
Aufruhr in die bestehenden Verhältnisse, bis sich ein neues Gleichgewicht
einpendelt.
Wobei ich
gestehen muss, dass ich anfangs skeptisch war. Lesen am Bildschirm? Das war mir
unvorstellbar – bis ich damals ein Rocket-Book in die Hand bekam und mich
unversehens in einer Kurzgeschichte von Frederik Forsyth festlas. Da war ich
bekehrt und habe mir das Ding gekauft. Leider gab es wenige Bücher dafür, und
dann machte die Firma Pleite, was mich auf die harte Tour lehrte, dass DRM
nicht die Lösung sein kann.
Nach einigen
Jahren Abstinenz habe ich mir dann wieder einen Reader zugelegt, ein eher
exotisches Modell, dessen Bedienbarkeit nicht schwiegermutterkompatibel wäre,
aber muss ja nicht. Ich benutze das Gerät vor allem, um meine eigenen
Manuskripte in den verschiedenen Stadien der Entstehung probezulesen. An den
Markt der verfügbaren eBücher taste ich mich erst heran – bis jetzt lade ich
meist nur Leseproben, anhand derer ich dann entscheide, welche Bücher ich mir
zulege … aber in Papierform. Bis jetzt, wie gesagt.
Immerhin bürgt ein Verlagslabel auf dem Buchcover ja
dafür, dass da Lektorat, Korrektorat, Cover und was dergleichen noch mehr ist,
professionell gehandhabt wurden. Wird das allein ausreichen um in der derzeit
immer schärfer werdenden Konkurrenz im E-Book Markt zwischen Indie-Autoren und
Verlagsautoren langfristig mithalten zu können?
Sie vergessen das
Marketing, allem voran die Platzierung der Bücher in den Buchhandlungen. Das
ist bis jetzt nach wie vor Verkaufshilfe Nummer eins: Wenn das Ding im Laden
steht.
Aber gut möglich,
dass gerade eine Generation heranwächst, die es seltsam finden wird, dass man
mal Bücher auf Papier gedruckt hat. Das wird die Spielregeln natürlich ändern.
Nicht ändern wird
sich, dass ein Buch eines Lektorats – oder mehrerer – bedarf, um zu seinem
vollen Potential zu finden. Was aber nicht zwingend einen Verlag voraussetzt;
das sind Dienstleistungen, die man auch einkaufen kann – oder eintauschen, wie
es ja wohl inzwischen viele Autoren machen, was ich so mitkriege.
Auch die zur
Verfügung stehenden Tools werden immer besser – wenn ich an dieser Stelle auf
die Textverarbeitung „Papyrus“ hinweisen darf, deren Entwickler
dankenswerterweise ein paar Vorschläge von mir, was ein wirklich
professionelles Schreibprogramm können sollte, umgesetzt haben, sodass nun eine
Software zur Verfügung steht, die doppelte Wörter anzeigt, Passivkonstruktionen
anmahnt und auf schwierig lesbare Textstellen hinweist und so weiter. Kann
einen menschlichen Lektor nicht ersetzen, aber trotzdem viel bringen.
In der Buchbranche debattiert man ja heiß darüber, ob
es schädlich für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de
die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden.
Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu
ziehen?
Wie sollte so
eine Reissleine aussehen? Nein, Preise bilden sich durch Angebot und Nachfrage;
da sehe ich kein Problem. Die Buchverlage hatten bis jetzt ja auch kein Problem
damit, dass man an Kiosken Heftromane für wenig Geld kaufen konnte. Von denen sind
auch nicht alle schlecht, und sie haben Auflagen, die die der meisten Bücher in
den Schatten stellen. Das wird sich schon alles einpendeln, da braucht man sich
keine Sorgen zu machen.
Stichwort Urheberrechtsdebatte. Da wird verbal
zunehmend schärfer geschossen. Haben Sie in dieser Sache schon eine Petition unterzeichnet? Und falls ja – welche und weshalb? Oder halten Sie Ihren Namen
von solchen Dokumenten grundsätzlich lieber fern?
Nein, ich habe
keine Petition unterzeichnet. Ich habe mich an ein paar Diskussionen beteiligt,
als das Thema hoch kochte, bin aber zu dem Schluss gekommen, dass das ein Sturm
im Wasserglas ist: Das Urheberrecht ist erstens ein international abgestimmtes
Recht und zweitens für eine moderne Gesellschaft unverzichtbar; da wird sich
grundlegend nicht viel ändern, ganz egal, was in Onlineforen derzeit debattiert
und gefordert wird.
Unter vielen Autoren herrscht die Ansicht, dass es
gefährlich sein könnte seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies
womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen
Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da Ihrer Meinung nach etwas
dran?
Früher war das
so, dass man seinem Werk durch eine Selbstpublikation den Weg in einen
richtigen Verlag verbaut hat. Aber das ist inzwischen Geschichte. Würde ich
heute als Autor anfangen, wäre das selbstpublizierte eBook auch mein Mittel der
Wahl, wenn sich die Ablehnungsschreiben stapeln. Wie ich es ja anfangs auch
erlebt habe – ich besitze von allen wichtigen deutschen Verlagen
Ablehnungsschreiben, auch von denen, bei denen ich heute veröffentliche!
Nicht nur Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de sieht
mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht.
Sie ebenfalls?
Ja, ich auch. Als
Buchhändler würde ich mir inzwischen eine Exit-Strategie überlegen. Ich
fürchte, die Zahl der Buchhandlungen wird in zehn Jahren auf die Hälfte
gesunken sein – und das wird auch die großen Ketten betreffen. Die vielleicht
sogar vor allem.
Wer sich das
nicht recht vorstellen kann, der überlege mal, wie viele Musikgeschäfte es vor
fünfzehn Jahren gab und wie viele heute.
Was wirft Sie bei der Arbeit an einem neuen Roman
garantiert „aus der Bahn“?
Reisen. Eine
Woche vor und eine Woche nach einer Reise läuft bei mir praktisch nichts. Meine
bisherigen Lesereisen haben zusammengenommen schon mindestens einen Roman
gekostet, der ungeschrieben bleiben wird.
Was ist das absolute „No-Go“ für Autoren im Umgang
mit ihren Lesern?
Leser für ihre
Meinung zu kritisieren. Jeder Leser hat das Recht, jedes beliebige Buch nicht
zu mögen, und wenn es zufällig das eigene Buch ist, muss man als Autor
schlucken und es kommentarlos hinnehmen.
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