Dienstag, 1. November 2011

Die üblichen Verdächtigen




                                                      Karikatur von Loriot



In den seltenen Fällen, das irgendwer über dunkle Kanäle und mit Hilfe furchtbarer Intrigen darauf gekommen ist, womit Herr Gray den (geringeren) Teil seines Geldes verdient - dem Verfassen von Romanen nämlich - wird er im Anschluss meist mit einer Reihe Fragen konfrontiert.

Dieser Katalog von Fragen ähnelt sich jedes Mal auffallend. Ich taufte ihn daher „ Die üblichen Verdächtigen“. 
Ich bin sicher, dass ich längst nicht der einzige Schreiber bin, der mit diesen „üblichen Verdächtigen“ zurande zu kommen hat und will sie daher hier in aller Öffentlichkeit sozusagen ein für alle Mal abhandeln.

Die drei Klassiker schlechthin: 

Frage:

Wann fallen Ihnen ihre Geschichten ein?

Antwort:

Ich weiss es nicht. Oder genauer: es existiert einfach keine Regel, auf die man den Daumen legen könnte. 

Ich weiss das hört sich jetzt womöglich merkwürdig an, aber es ist dennoch wahr: mir ist schon ein Plot für eine Shortstory auf dem Männerklo einer Disko eingefallen. 
Eine andere Geschichte erschien plötzlich in meinem Hirn, während ich auf dem Dach eines Busses, der zwanzig Jahre älter war als ich, in Ostnepal eine Bergstraße herauf fuhr und dabei meine Bergschuhe von einer mitreisenden verängstigten Ziege angeknabbert wurden. 
Wenn für mich in dieser Beziehung überhaupt  irgendeine Art von Regel existiert, dann lautet die, dass mir immer dann, sobald irgendeine Deadline näher rückt, ganz bestimmt NICHTS einfällt.

Frage:

Weshalb schreiben Sie, Herr Gray?

Antwort:

Es gibt einfach nicht viel, wozu ich sonst tauge. Obwohl ich einen Nagel in eine Wand schlagen könnte, ohne mir die Finger mit Blutergüssen zu verzieren, bin ich kein besonders guter Handwerker.

Ich kann außerdem auch nicht mit fünf Bällen gleichzeitig jonglieren und im Musikunterricht in der Schule war meine Lehrerin so gnädig., mich die Texte der Lieder, die alle anderen vorsangen, einfach als Gedichte rezitieren zu lassen, da meine Stimme klingt, wie eine angerostete Säge. Dass es mit einer Sangeskarriere für mich nichts werden konnte, wurde mir daher schon in einem recht zarten Alter klar.

Was ist mit den anderen Professionen, in denen sich Leute mit einem eher mittelmäßigen Talentlevel gewöhnlich sonst so tummeln?

Was ist mit einer Versicherungskarriere, oder einer bei einer Bank, oder in irgendeiner Nische im Beamtenapparat, zum Beispiel als Lehrer oder – weshalb nicht? – Polizist?
Sicher davon stand mal einiges zur Debatte.

Dennoch wusste ich etwa zur selben Zeit, als ich einsah, dass es mit einer Gesangskarriere nix werden würde, dass es im Grunde nur drei Schulfächer gab, in denen ich ohne viel dafür tun zu müssen, stets ganz passable Noten erzielte:  Deutsch, Geschichte und Kunst. 
Nachdem mir ein netter Kunstprofessor mittelte dass mein Zeichnerisches und Malerisches Vermögen womöglich tatsächlich um ein bis zwei Punkte über dem meines musikalischen Talentes lag, aber nur deswegen längst nicht ausreichte, um es in der Bildenden Kunst zu mehr zu bringen, als bloß einer Lebensstellung als Sozialhilfeempfänger, blieben noch: Deutsch und Geschichte.

Und obwohl es von da ab immer noch eine Weile dauerte, bis ich die Berufsnische fand, in der ich mich nunmehr eingerichtet habe, war es trotzdem von Anfang an eigentlich nur eine Frage der Zeit, das zu werden was ich heute bin: ein freier Journalist und Autor.
Na klar – der Verdienst könnte besser sein. 

Aber Geld ist auch nicht alles im Leben, oder?

Frage:  

Kann man schreiben lernen?

Antwort:

Zweifellos. 

Ein einziger Blick in eine deutsche Grundschule sollte auch den größten Skeptiker in dieser Beziehung vollauf befriedigen. 

Falls die Frage allerdings darauf abzielte, ob man fiktionales Schreiben lernen kann, lautet meine Antwort schlicht und ergreifend: ich weiss es nicht. 

Ich habe nie einen Creative Writing Kurs besucht. 

Mit Sicherheit weiss ich nur eines: die beiden entscheidenden Eigenschaften es in der Schreiberei zu irgendetwas zu bringen, bestehen 1) in Geduld  und 2) in der Bereitschaft für harte Arbeit.

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