Dienstag, 20. September 2011

Die Substanz von Bestsellerlisten

Stellen Sie sich vor, Sie seien Geschäftsführer des Traktorenbauers XYZ. In diesem Falle stellt der Landmaschinenkonzern ABC einen Ihrer schärfsten Konkurrenten dar. 

Stellen Sie sich weiterhin vor, Ihr Marketingchef hätte eine Idee, wie er das Image Ihrer Firma noch ein wenig mehr verbessern könnte. Dies ist seine Idee: die Einführung einer deutschen Traktoren-Bestsellerliste.
Stellen Sie sich weiterhin vor, Sie seien an jenem Tag, in einer etwas abenteuerlustigen und risikobereiten Stimmung, und finden daher jene Idee grundsätzlich einmal großartig. 
Nur äußern Sie nach einem Moment der stillen Kontemplation auch einige Bedenken. 

Was nun, wenn sich nach Prüfung der deutschlandweiten Verkäufe Ihrer Traktoren herausstellt, dass ABC-Traktoren Ihre eigenen XYZ-Traktoren im Verkauf heillos überflügelt haben? 
Dann stünden Sie selbst und Ihre Marketingabteilung ganz schön blamiert da mit jener tollen Idee von der Traktoren Bestsellerliste, nicht wahr?
Doch Ihr Marketingchef, immerhin ein cleverer Mann, lächelt nur müde und versichert Ihnen glaubhaft, er hätte da so gewisse Tricks und Kniffe, die genau dieses Szenario ausschlössen. 
Neugierig geworden, schliessen Sie misstrauisch die Tür Ihres Büros und erkundigen sich nach näheren Einzelheiten.

Nun, meint Ihr Marketingchef, die Sache sei doch ganz simpel. 

Man wisse schliesslich, dass das Händlernetz des Konkurrenten ABC in Norddeutschland bedeutend dichter sei, als in  Ost- oder Süddeutschland. 

Daher werde man sich bei der Erstellung jener Traktoren-Bestsellerliste eben verstärkt auf Verkaufszahlen aus Süd- und Ostdeutschland stützen und jene aus dem Norden zaghafter bis gar nicht in die Statistiken einfließen lassen.  
Sie denken sich: Dies sei natürlich ein recht kluger Schachzug. Nur, fragen Sie sich auch: Kann dies eigentlich rechtens sein, denn letzten Endes sei diese Bestsellerliste dann ja nicht wirklich rundum aussagekräftig. 

Und so recht nützlich für Ihr eigenes Unternehmen XYZ-Traktoren könnte diese Liste ja auch nur dann sein, wenn sie als offizielle Bestsellerliste im Traktorenverkauf gelten könne. 

Einfach so irgendwelche statistischen Erhebungen anzustellen und anschließend zu veröffentlichen, das könne schließlich jeder, aber so recht aussagekräftig seien die dann ja nicht.

Ihr Marketingchef kann Ihre zaghaft geäußerten Bedenken jedoch mühelos zerstreuen. 

Er argumentiert: Jene Traktoren-Bestsellerliste könnte durchaus guten Gewissens als „offizielle“ Traktoren Bestsellerliste in den entsprechenden Fachpublikationen bezeichnet werden. Schließlich könnte ihr dieses Attribut die „offizielle“ Bestsellerliste darzustellen, als erste und einzige ihrer Art kein Mensch wirklich absprechen.

Wieder lassen Sie sich die Argumentation Ihrer Marketingchefs einige Augenblicke durch den Kopf gehen und beschließen dann, dem Mann Ihr Okay für seine Idee zu erteilen. 
Einige Wochen später erkennen Sie an dem Wirbel den jene 1. offizielle Traktoren-Bestsellerliste für Deutschland in der Fachpresse und in den Chefetagen der Konkurrenz ausgelöst hat, wie brillant die Idee Ihres Marketinggenies eigentlich wirklich gewesen war. 
Sie lassen dem Mann ein nagelneues Set Golfschläger zukommen und weisen ihm noch dazu eine hübsche Sonderprämie an. 

Und freuen sich insgeheim schon diebisch auf die säuerliche Mine des Geschäftsführers von ABC Traktoren, während der nächsten Jahrestagung des deutschen Traktorenherstellerverbandes.

Man fragt sich unter der geneigten Leserschaft des Herrn Gray womöglich, was die oben stehende Ausführung zu Traktoren und Bestsellerlisten auf Herrn Grays Blog zu suchen hat, da der ja eher gar nichts mit Traktoren am Hut hat, sondern Autor von Ebooks ist.

Die Auflösung jenes Rätsels ist simpel: Vor einigen Wochen veröffentlichte man bei Börsenblatt-Online eine 1. „offizielle“ Ebook Belletristikbestsellerliste für den deutschsprachigen Raum.

Das allein wäre Herrn Gray ja auch gar kein Blogpost wert gewesen. Nur scheint es so, dass man bei Erstellung jener Ebook Belletristik Bestsellerliste zumindest Amazon.de als derzeit marktbeherrschenden Anbieter gar nicht erst berücksichtigt hat. Denn hätte man dies getan, sähe jene Bestsellerliste etwas anders aus. 
Doch wie schon in einem vorangegangenen Blogpost vermerkt, ist eben das Medium nicht nur die Message, sondern dient zuweilen vordringlich als Werkzeug zur  Massage der öffentlichen Meinung. Ich denke im Fall jener seltsam „hinkenden“ 1. offiziellen deutschen Ebook Belletristik Bestsellerliste trifft dies zu.

Von daher bleibt auch hier wieder nur zu konstatieren, dass eben das einzig wahre wirkliche Leben, immer wieder durchaus Unterschiede zum schönen neuen „virtuellen“ aufweist. 

Eine andere große deutsche Fachzeitung hat diese simple Erkenntnis übrigens schon vor Jahren zum Inhalt eines ziemlich witzigen Werbespots gemacht.  



  Handelsblatt Werbespot "Spacepen"


2 Kommentare:

  1. eBook-Charts ohne Amazon ist... nun, wie soll ich sagen... dämlich? Unverschämt? Amateurhaft?

    AntwortenLöschen
  2. Danke .. sehr informativ.
    Viel Erfolg mit den Ebooks ...

    AntwortenLöschen