Dienstag, 26. Juni 2012

Michael Krüger - der Verleger


Sehr verehrter Michael Krüger, zunächst einmal vielen herzlichen Dank, dass Sie es trotz eines engen Terminplans einrichten konnten meine Fragen zu beantworten. Sie sind Schriftsteller und Verleger im Hanser Literaturverlag. Aber auch einer der bekanntesten deutschen Intellektuellen. 

Kämpft der wirtschaftlich orientierte Verleger in Ihnen hin und wieder mit dem Textliebhaber und Autor darum, welches Buch eine Veröffentlichung wert wäre?

Dies ist ein täglicher Kampf. Denn natürlich liegt uns die Qualität am Herzen, aber erstens schreibt nicht jeder Autor immer nur großartige Bücher, sonst gäbe es nur großartige Bücher, und zweitens müssen wir natürlich auch auf die Wirtschaftlichkeit des ganzen Verlages achten.

Herr Krüger immer wieder melden Sie sich (soweit ich weiß in dieser Form als einziger Verleger) per Youtube Video zu aktuellen Themen zu Wort. Offenbar für Sie also keine Berührungsängste mit dem Medium Internet?

Nein, ich habe überhaupt keine Berührungsängste mit dem Internet. Ich habe nur zu wenig Zeit, um mich damit wirklich zu beschäftigen. Wenn es dem Verlag und seinen Büchern nützt, würde ich mich stärker im Internet bewegen. Aber ich habe den Verdacht, daß die Papiermenschen und Bücherkäufer nicht unbedingt auch die Internet-Menschen sein müssen.



 Michael Krüger, Autor, Verleger, Intellektueller (Quelle: Focus)

Dieses Interview wird innerhalb von kürzester Zeit tausende Male gelesen, verteilt und zitiert werden. Irgendwo auf dem Weg durch die virtuellen Weiten wird es auf wenige Worte reduziert als bloßer Soundbite auf Blogs in Facebook-Kommentaren und dem ein oder anderen Newsdienst oder RSS Feed enden. Das Internet also als der „große Vereinfacher“ der „Dampfpflug des Medienzeitalters“, dessen Dynamik kaum eine öffentlich getane Äußerung entgehen kann ohne reduziert zu werden.
Sie sind ein ausgewiesener Liebhaber der Bücher und des geschriebenen Wortes, was geht einem solchen Mann angesichts dieser Realität  durch den Sinn? Herrscht da eine gewisse Trauer, gar Wut?

Trauer, dieser Begriff bringt es auf den Punkt. Ich habe in der letzten Woche vor den Buchhändlertagen einen Vortrag des Abschieds gehalten, in dem ich versucht habe, die ungeheuren Veränderungen zu formulieren, die nicht nur unsere Branche, sondern die ganze Gesellschaft betreffen.
Ein Internet-Aktivist sagte danach, er sei sich wie in einer Kirche vorgekommen, und wie dieser Vortrag in der Presse weggekommen ist, entspricht genau der von Ihnen geschilderten Reaktion: Man hat einen oder zwei Sätze herausgepickt, um zu zeigen, wie schlau man ist.
Vom Ton und der Atmosphäre des Vortrags ist nur bei denen etwas  angekommen, die überhaupt noch in der Lage sind, einen längeren Vortrag anzuhören. Wo diese verschiedene Wahrnehmungsbereitschaft einmal enden wird, das wage ich mir gar nicht auszudenken.




 Michael Krügers viel beachtete Rede auf den Buchtagen 2012


Stichwort: Piratenpartei und Urheberrechtsdebatte. Die eine Seite huldigt vermeintlich der Geiz-ist-geil-Mentalität, die andere sieht sich – bewusst überspitzt – als letztes Bollwerk gegen den Untergang des kulturellen Abendlandes. 
Auf beiden Seiten des Debattenzauns, so habe ich den Eindruck, werden derzeit keine Gefangenen mehr gemacht. Irgendeine Idee wie man die Affäre entschleunigen, bzw. auf ein erwachsenen Menschen angemessenes Diskussionsniveau herab kochen könnte?

Ich glaube, man wird sich irgendwo einigen. Auch die Piraten veröffentlichen jetzt ihre Bücher und werden schon darauf achten, daß sie ordentlich bezahlt werden. Das ist wie immer bei Revolutionen: Wer das Glück hat, zu überleben, wird Bürger. Und Bürger einer Gesellschaft geben sich Gesetze, sonst würde die Gesellschaft zerfallen.

Herr Krüger – besitzen Sie einen eReader? Oder bevorzugen Sie weiterhin das gedruckte Buch?

Nein, ich besitze keinen eReader. Und was übers Internet kommt, drucke ich mir aus.

Es hat sich seit letztem Jahr ja so einiges in der Buchwelt getan; Stichwort: E-Books. Wie sehen Sie aus Ihrer professionellen Sicht als Verleger diese Entwicklung? Bringt sie Schaden, ist sie womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht irgendetwas dazwischen?

Wenn noch zehn Prozent mehr Leser ihre Bücher aus dem Internet holen, wird sich unsere Branche verändern, vom Buchhandel über die Verlage bis zu den Autoren. Ob das ein Segen wird oder ein Fluch, das wird die Zukunft zeigen

Allgemein malt man die Zukunft des stationären Buchhandels ja in einem eher düsteren Licht. Schließen Sie sich diesen Unkenrufen ebenfalls an?

Der stationäre Buchhandel muß sich in der Tat viel einfallen lassen, um mit berechtigtem Stolz das zu vermitteln, was er kann. Das wird schwer werden.

Unter vielen Autoren, ob arriviert oder noch Anfänger, herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da etwas dran? Würden Sie selbst einen erfolgreichen Indie-Autor in Ihre Autorenliste aufnehmen?

Natürlich wird es in Zukunft viele Autoren geben, die ihre Bücher direkt ins Internet stellen. Ob sie damit Erfolg haben, wird sich zeigen.

In der Buchbranche debattiert man seit einiger Zeit darüber, ob es dem Markt langfristig schadet, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?

Wenn alles nur unter drei Euro kostet, dann werden weder die Autoren noch die Verlage überleben. Also sollte man mit allen Mitteln versuchen, solche Entwicklungen zu stoppen.

Wo sehen Sie den deutschen Buchmarkt in fünf Jahren? Werden so genannte Indie-Autoren darin wirklich eine beständige Rolle spielen, oder hat das Phänomen Selbstpublizierer, wie so viele andere netzbasierte Trends, bis dahin seine Halbwertzeit längst aufgebraucht?

In fünf Jahren? In Goethes einzigem Roman läßt er Eduard sagen, daß man früher etwas für sein ganzes Leben gelernt hat, man heute aber sich alle fünf Jahre ändern muß, um mit der Mode zu gehen. Das war um 1800. Heute sollte man sich alle fünf Tage ein neues Kleid anziehen. Ich werde diese Beschleunigung nicht mitmachen.

Nun, die sicherlich furchtbarste Frage von allen: Herr Krüger, wie muss ein Exposé bzw. Manuskript beschaffen sein, um Ihre Neugier zu erwecken?

Es muß klug sein, gut formuliert, und vor allen Dingen: Es muß meine Neugier wecken.

Welche Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?

Wie geht es Ihnen in einer sich rasend schnell verändernden Welt?

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