Hallo Wolfgang Tischer,
danke dass Du Dir die Zeit nimmst, hier ein paar Fragen zu beantworten.
Wir kennen uns ja schon eine Weile und ab und
zu bist Du so freundlich Herrn Grays Beiträge auf Deiner Webseite, dem
literaturcafe.de, zu posten.
Das Literatur-Café ist ja auch gar nicht
irgendeine Webseite, sondern ein fester Posten in der deutschen
Literaturlandschaft, vor allem aber ist sie mehrfach preisgekrönt worden. Was
mich gleich zu meiner ersten Frage bringt.
Wolfgang Tischer, Betreiber des Literaturcafès im Internet. Einer, der stets kluges zum Buchgeschäft zu sagen hat.
Wie wird man eigentlich Grimme - Preisträger?
Ich schließe mal
aus deiner Frage, dass du der Meinung bist, das literaturcafe.de hätte schon
mal den Grimme-Preis gewonnen. Dem ist leider nicht so, daher kann ich deine
Frage aus eigener Erfahrung nicht beantworten.
Du meinst vermutlich
den Alternativen Medienpreis, den das literaturcafe.de 2004 gewonnen hat. Der
Alternative Medienpreis wird von der Journalistenakademie München vergeben und
ist die unabhängige Alternative zum Grimme-Preis.
Ausgezeichnet werden hier
unabhängige und in der Regel nicht-kommerzielle Web-Projekte. Für diesen Preis
kann man sich nicht bewerben, sondern man wird nominiert, was den Preis
natürlich noch wertvoller macht.
In aller Bescheidenheit kann ich also nur
sagen, dass man für den Gewinn eine qualitativ hochwertige Website betreiben
muss, die der Zielgruppe einiges bringt. Marketingmenschen würden in ihrem
Deutsch wohl von „hohem Mehrwert“ sprechen.
Und auch wenn die
Verlegerzeitschrift „Publishing Perspectives“ das literaturcafe.de Anfang 2011
zu „Germany's Best Booksites“ kürt, dann macht einen das natürlich stolz.
Mit der wachsenden Bedeutung Deiner Webseite geht ja
auch eine immer höhere Sichtbarkeit Deiner Person für die Öffentlichkeit
einher. Du schreibst Artikel für die „Zeit“ und Branchenmedien wie
buchreport.de.
Fühlst Du Dich in Deiner Prominentenrolle wohl, oder stellt das
nur eines der notwendigen Übel dar, das man mit dem Erfolg des Literatur-Cafés
eben in Kauf zu nehmen hat?
Um es direkt zu
sagen: Ich stehe gerne auf der Bühne und bin mit Sicherheit eine Rampensau. Ich
habe früher Kabarett gemacht und weiß, dass man die Leute mit der richtigen
Mischung aus Information und Unterhaltung begeistern sollte.
Aber deine
Wahrnehmung resultiert aus einer tatsächlich erfolgten Veränderung. Natürlich
war ich schon immer der Gründer und Herausgeber des literaturcafe.de.
Ich habe
meine eigene Person aber nicht ganz so in den Vordergrund gestellt, denn es kam
mir in erster Linie auf die Themen an, die das Café präsentiert – und auch die
Menschen, die dort Beiträge, Kurzgeschichten und Gedichte veröffentlicht haben.
Da muss ich mich nicht immer selbst in Szene setzen.
Allerdings habe
ich in den letzen Monaten lernen müssen, dass das dennoch notwendig ist und
dass speziell das Internet diese Form des „Egoismus“ fördert.
Aber ich hasse
bis heute diese Selbstbeweihräucherung der Leute, dieses „Passt mal auf, ich
erzähle euch was ganz Tolles und Wichtiges!“.
Das Internet ist wie ein
Unternehmen: oft werden nur die beachtet, die am lautesten schreien. Wenn man so
will, geht auch im Selbstmarketing Form vor Inhalt. Und immer wieder muss man
erleben, wie das auch noch funktioniert.
Hinzu kommt, dass selbst Google diese
„Egomaschine“ fördert, indem im Suchergebnis z.B. Blogbeiträge mit dem
Google+-Profil der Autorin oder des Autors verknüpft sind und ein Bildchen
daneben angezeigt wird.
Die Welt und das Web sind immer mehr personenfixiert.
Also habe auch ich erkannt, dass man die eigene Person mehr in den Vordergrund
stellen muss.
Ich habe damit wie gesagt kein Problem, auch wenn ich es besser
finden würde, wenn die Personenfixierung etwas weniger wäre.
Jedoch wäre es
eine Selbstverleugnung, wenn ich behaupten würde, dass dieses System dem Ego
nicht gut tut – solange das Feedback überwiegend positiv ist.
Du hast Dich ja selbst mit einem eigenen
Fachbuchtitel als Indie-Autor versucht. Läuft der noch, oder ist er in der
immer höher schwappenden Flut der Neuerscheinungen inzwischen „versunken“?
Ich bin erstaunt
darüber, wie gut das E-Book noch „läuft“.
Es ist ja ein Fachbuch darüber, wie
man speziell bei Amazon seine E-Books verkauft.
Also das was man als
klassischen Nischentitel bezeichnen würde. Natürlich war er vor einem Jahr ganz
oben in den Amazon-Charts bis auf Platz 3, was u.a. auch an einem Artikel auf
SPIEGEL Online lag.
Aber selbst heute ist das Werk beständig so um den Platz
500 herum auf den Kindle-Charts zu finden, was ich erstaunlich finde.
Natürlich
weise ich im literaturcafe.de auf das Buch hin, aber unsere Auswertungen
zeigen, dass es nur so an die 7% der Käufer sind, die tatsächlich über den
Affiliate-Link vom literaturcafe.de auf den Titel kommen.
Man sollte also die
eigenen Marketing-Instrumente nicht überbewerten.
Wie siehst Du das Phänomen der Indie-Autoren, bzw.
des Selfpublishing? Bringt das langfristig eher Vorteile für den Buchmarkt? Es
existieren ja Bedenken, dass der Erfolg von Ebooks über kurz oder lang zur
Bedrohung nicht nur für die großen Ketten wie Thalia und Hugendubel, sondern
auch für den Tante Emma Buchladen um die Ecke werden könnte.
Wenn du mit
Buchmarkt tatsächlich Verlage und Buchhandlungen meinst, dann bringen E-Books
denen sicherlich keine Vorteile.
Verlage und Buchhandlungen hatten sich ihre
Welt geschaffen.
Die Verlage sorgen mit Marketing und PR für Sichtbarkeit und
die Buchhandlungen halten die Bücher bereit, weil die Verlagsvertreter ihnen
vorab berichtet haben, was man alles für das Buch tut bzw. wie gut der Autor
sei.
Für Selbstverleger gab es keinerlei Möglichkeit, in dieses System zu
kommen.
Bis heute haben es Print-on-Demand-Anbieter schwer, dass die Titel
ihrer Autoren in den Buchhandlungen stehen, also sichtbar sind.
Ein Eintrag im
VLB (= Verzeichnis lieferbarer Bücher
D.G.) den viele dubiose
Zuschussverlage als Sichtbarkeit verkaufen, bewirkt eigentlich nichts.
Man muss daran
erinnern, dass sich vor gut 10 Jahren selbst Stephen King mit „The Plant“ als
Selbstverleger versucht hat und damals grandios gescheitert ist, weil zu wenig
Leute für einen Teil seiner Fortsetzungsgeschichte 1 Dollar zahlen wollten.
Es muss eben
einiges zusammenkommen und das ist erst heute der Fall. Heute haben wir nicht
mehr brikettgroße E-Reader und heute kann ich bequem Bücher für 99-Cent direkt
auf dem Gerät kaufen.
Und wir haben plötzlich die Sichtbarkeit für
selbstverlegte Bücher, die in den Kindle-Charts auf Augenhöhe mit den Titeln
der Verlage stehen.
Die Preispolitik der Verlage ist dabei ein nicht
unerheblicher Grund für den Erfolg der Indies.
Wo liegen Deiner Beobachtung zufolge, die typischen
Fehler, die Indie Autoren bei ihren Veröffentlichungen begehen?
Sie schreiben im
falschen Genre :-)
Nein, im Ernst:
Man muss wirklich sehen, dass der Großteil der erfolgreichen Indie-Titel
Genre-Literatur ist. Krimi, Thriller, Horror, Erotik, Singelfrauen, Romance –
das sind die Themen die gehen.
Literarische Titel außerhalb dieser Genres haben
keine Chance. Das finde ich persönlich sehr bedauerlich. Wobei ich betonen
muss, dass ich mit „literarisch“ kein Qualitätsmerkmal meine, sondern eben nur
Titel abseits der Genre-Literatur.
Ein Buch wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ halte ich im Indy-Bereich derzeit auf den
Bestsellerlisten leider für undenkbar.
Der typischen
Fehler, den ich oft mitbekomme ist der, dass viele Autorinnen und Autoren von
den tollen neuen Möglichkeiten hören und nun ihre Manuskripte aus der Schublade
holen und bei Amazon hochladen, ohne dass sie sich näher mit der Materie
beschäftigt haben.
Da sind dann die Formatierungen fehlerhaft, das
Inhaltsverzeichnis ist nicht Kindle-kompatible, das Cover ist alles andere als
optimal oder der Preis ist falsch angesetzt. Und es fehlt jegliche
Marketing-Strategie.
Viele legen mit dem Upload vielleicht noch einen
Twitter-Account und eine Facebook-Seite an, weil sie gehört haben, dass das
dazu gehört. Und sie bitten ihre Freundinnen und Freunde, doch mal bei Amazon
eine 5-Sterne-Besprechung zu schreiben.
Das alles ist nicht wirklich eine gute
Strategie für eine E-Book-Veröffentlichung, aber viele Autorinnen und Autoren
haben offenbar den Eindruck, ihnen geht etwas durch die Lappen, wenn sie ihre
Texte nicht ganz furchtbar schnell als E-Book bei Amazon anbieten.
Hast Du einen heißen Marketingtipp für Indie-Autoren?
Ich habe keinen
heißen, aber einen soliden Tipp und zwar all die oben erwähnten Fehler nicht zu
machen.
Man sollte nichts überstürzen und sich eine Strategie überlegen.
Wie
baue ich z.B. schon vor meiner Veröffentlichung ein Netzwerk auf?
Ich
sollte das Buch technisch einwandfrei formatieren und auch die Covergestaltung
ist extrem wichtig!
Und ich sollte mir ein Ziel setzen und genau überlegen, für
wen ich schreibe und wie und wo ich diese Leserinnen und Leser erreiche.
Ich bekomme z.B.
immer wieder Anfragen, ob ich nicht Lebenshilferatgeber oder Sachbücher zum
Thema Pferdepflege besprechen möchte. Da würde ich sagen, hat sich der Autor
keine Gedanken gemacht, wo seine Zielgruppe ist.
Und ich kann
ebenfalls nicht oft genug sagen: Verlassen Sie sich nicht auf die
Sozial-Media-Kanäle!
Niemand weiß, wie die sich entwickeln werden. Facebook
kann – wie es schon vorgekommen ist – die eigene Fanseite einfach ohne
Vorwarnung abschalten.
Man hat mit denen ja kein Vertrag, weil man dort nicht
Kunde, sonder Produkt ist.
Im Mittelpunkt aller Aktivitäten sollte also immer
die eigene Website stehen.
Natürlich sollte ich Facebook, Twitter, YouTube und
Wasauchimmer nutzen, aber ich sollte mir immer bewusst machen, dass diese Daten
und Werkzeuge nicht mir gehören. Eine eigene Website unter eigener Domain ist
die Basis.
Wo siehst Du den deutschen Buchmarkt in fünf Jahren?
Werden Indie-Autoren darin wirklich eine beständige Rolle spielen, oder hat das
Phänomen Indie, wie so viele andere netzbasierte Trends, bis dahin seine
Halbwertzeit längst aufgebraucht?
Natürlich wird
der Hype abflauen, wenn viele Autoren merken, dass sie leider bei weitem nicht
so viel verkaufen oder verdienen, wie es viele versprechen oder wie es die von
der Presse herausgegriffenen Erfolgsfälle suggerieren.
Letztendlich zählt nun
mal die Qualität der Texte. Wenn der Inhalt nicht stimmt, dann bringt auch
Werbung und Marketing nichts.
Dennoch glaube
ich, dass Indie-Autoren sichtbar bleiben werden und die erfolgreichen unter
ihnen weiter eine Rolle spielen werden. Zumindest in den Bestsellerlisten, die
sie nicht ausblenden.
Diese Autoren kennen ihre Leser, sie wissen, wie man für
Publikum schreibt und sie haben den Weg ohne Verlag und ihre Freiheit schätzen
gelernt.
Natürlich wird der ein oder andere zu einem Verlag wechseln, andere
werden den umgekehrten Weg gehen, aber die unabhängigen, eigenständigen und
selbstbewussten Autorinnen und Autoren werden bleiben.
Amazon bietet mit seinem Create Space Programm ja
mittlerweile auch für Indie-Autoren die Möglichkeit ihre Titel in
Taschenbuchform an den Leser zu bringen. Deiner Auffassung nach - eine Bedrohung
mehr für den stationären Buchhandel?
Zu Create Space
kann ich noch nicht zu viel sagen, das kommt ja erst so langsam und noch gibt
es keine eingedeutschte Version. Ich wage in der Richtung keine Prognosen, weil
auch schon so vieles nicht funktioniert hat.
Lulu.com ist so ein Beispiel, das
auch supertoll klang, aber nie so recht die breite Masse der Selbstverleger
erreicht hat.
Dennoch werde auch ich Create Space testen, ohne Frage.
Wenn wir von
Kindle und Create Space oder auch iBookstore und Co sprechen, dann reden wir
ohnehin von Büchern, die am stationären Buchhandel vorbeigehen.
Dass der Handel
vor Ort zu den Verlierern gehört, ist eine Tatsache. Das ist bedauerlich, aber
so ist der Lauf der Dinge und all die Versuche, die Buchhandlungen irgendwie am
E-Book-Verkauf zu beteiligen, sind sinnlose Schwimmversuche in einem tosenden
Meer.
Auf der andern Seite kann ich mir aber auch vorstellen, dass
„Papierbuchhandlungen“ eine gewisse Exklusivität bekommen könnten, wenn man
kompetent ist und seine Kunden findet.
Doc House Tipp: Brain? Use it. Das gilt, Wolfgang Tischer zufolge, vor allem auch in der Indie-Autorenszene
Welche Frage wolltest Du schon immer einmal von einem
Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?
Lieber David, ich
habe mich sehr über deine Fragen gefreut und bin schon froh, dass du nicht
gefragt hast, ob man denn von so was wie dem literaturcafe.de leben kann.
Lieber Wolfgang, ich danke Dir für das Gespräch.
Wirklich wahr, was er da sagt. Die Qualität der Texte muss stimmen, das Buch muss professionell gestaltet sein und der Autor sollte sich über lange Zeit und schon vor der Veröffentlichung einen Leserkreis aufbauen, z.B. durch ein lesenswertes Blog (kombiniert mit Facebook).
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