Donnerstag, 15. Dezember 2011

Der Hirte - Richard Dübell übers Selbstpublizieren

Wer in den letzten Monaten auf den Ebook-Markt in Deutschland geachtet hat, dem kann nicht verborgen geblieben sein, dass diesen Markt ein Unternehmen bislang absolut dominiert: Amazon.de.
Wie schon in USA und UK soll nun auch in Deutschland und angrenzenden deutschsprachigen Gebieten das Weihnachtsgeschäft mit Amazon’s Kindle eReadern für einen Preis von etwas unter 100 Euro diese Vormachtstellung weiter ausbauen. 
Nach meiner eigenen bescheidenen Prognose wird sich die ganz große Revolution im deutschen Buchmarkt zwar letztlich etwas zäher gestalten als im englischsprachigen Raum. Doch aufzuhalten ist diese Revolution auch nicht. Ich selbst habe von den Veränderungen des Buchmarktes profitiert und hoffe dies auch weiterhin zu tun.
Diese Veränderungen im Buchgeschäft weisen allerdings auch einige durchaus überraschende und sympathische Comebacks auf. Zum Beispiel den des Fortsetzungsromans, wie er zu Beginn des 19. Jahrhunderts bis etwa in die 70er Jahre des 20. Jahrhunderts üblich war.
Ich schrieb ganz bewusst „Fortsetzungsroman“. Ein Fortsetzungsroman zeichnet sich durch die Konzentration auf einen Handlungsbogen aus, der eben nur in verschiedenen Teilen erzählt wird, ganz genauso, wie man es auch vom klassischen Roman der herkömmlichen Erzählung oder Novelle gewohnt ist. Noch Mitte des 20 Jahrhunderts gab es keine Tageszeitung und kaum ein Magazin, die nicht in ihren aktuellen Ausgaben die neueste Folge eines solchen Fortsetzungsromans präsentierte. Damals herrschte Goldgräberstimmung unter den Literaten. Wer von ihnen es fertig brachte, sein neuestes Werk an eine der großen Zeitungen als Fortsetzungsgeschichte zu verkaufen, war zumindest für eine Zeitlang ein gemachter Mann. Von Alexandre Dumas über Conan Doyle bis hin zu Erich Maria Remarque und sogar Heinrich Böll war sich kaum einer der literarischen Publikumslieblinge zu schade dazu seine aktuellen Titel als Fortsetzungsgeschichte „serialisieren“ zu lassen, wie man das seinerzeit nannte.
Nachdem sich der Lübbe Bastei Verlag bereits an einem Ebook-Serienprojekt versuchte, nämlich der so genannten Webnovel „Apokalypsis“ (einer Verschwörungsgeschichte a la Dan Browns „Da Vinci Code“ oder „Lost Symbol“) hat sich nun auch der bekannte Historienromanautor Richard Dübell an ein solches Unternehmen gewagt.  Nur noch weiter verstärkt wurde meine Neugier auf Richards „Hirten“ - Projekt als mir klar wurde, dass er dies als Selbstpublizierer in Zusammenarbeit mit seiner Literaturagentin Dr. Anke Vogel und Amazon.de angegangen war. 


 Richard Dübell Autor von "Der Hirte"

Ich fand, dass dies Grund genug sei, Richard um einige nähere Auskünfte zu seinem Projekt „Der Hirte“ zu bitten.  Richard war dann auch sofort so freundlich einem Interview mit mir zuzustimmen. 

Was hat Dich zu dem Projekt „Der Hirte“ veranlasst?

Ich wollte seit langem eine Weihnachtsgeschichte schreiben. Diese sollte den unverkennbaren Dübell-Touch haben, also historisch im Mittelalter angesiedelt sein, tempo- und actionreich sein und zugleich den nötigen Tiefgang besitzen.
Das Thema war mir schnell klar, da es vom Weihnachtsgedanken ja mehr oder weniger vorgegeben wird: Vergebung.
Mir lag viel daran, dieses Thema vielschichtig zu gestalten; daher geht es nicht nur darum, anderen deren Fehler zu verzeihen, sondern in erster Linie sich selbst für das vergeben zu können, was man am meisten an sich hasst. Dies wollte ich in mehreren Facetten und ineinander übergreifenden Beziehungen der Protagonisten schildern.
So weit, so schlecht, denn im Rahmen dieser selbst gemachten Vorgaben fiel mir keine Story ein, die nicht irgendwie abgedroschen gewesen wäre. Dann erzählte mir eine Freundin von einer Kurzgeschichte von John le Carré, die ihr sehr gefallen hatte: „Der Lotse“. Ich musste nur die Hälfte ihrer Erzählung hören, da war mir klar, welchen Weg meine eigene Story nehmen würde.
Eine Geschichte zu schreiben ist aber nur ein Teil der Arbeit. Eine Geschichte will auch gelesen werden. Wie sollte ich meinen Leserinnen und Lesern nun die Geschichte (die im Übrigen innerhalb weniger heißer Augusttage entstand, also ein größeres Quäntchen Fantasie benötigte, um sich die Kälte und den Schnee vorzustellen) nahe bringen?
Auf die nächste Weihnachts- oder Kurzgeschichtenanthologie zu warten erschien mir nicht Ziel führend. Glücklicherweise hatte ich im Sommer auch ein längeres Gespräch mit meiner damaligen Agentin und guten Freundin Anke Vogel geführt, in dem es um die Vermarktungsmöglichkeiten von Texten als originale e-Books ging. Von da an war es dann nur noch ein kleiner Gedankenschritt – und die Erkenntnis, wie engagiert Amazon in diesem Herbst die Einführung des Kindle vorantrieb – um an Amazon heranzutreten und eine exklusive Zusammenarbeit vorzuschlagen.
Mein Vorschlag sollte für beiden Seiten gewinnbringend sein. Ich würde der erste bekannte deutsche Autor sein, der eine Story exklusiv für AmazonKindle schrieb, und Amazon würde ein Projekt haben, mit dem sich für den Reader Marketing machen ließ. Zugleich würde meine eigene Präsenz im Internet und meine Bekanntheit in der Kindle-Gemeinde gesteigert werden.

Wie hast Du das gestaltet/ schreiberisch / wie lange hast Du an dem Projekt gearbeitet?

Die Story war von Anfang an als Novelle ausgelegt; mein persönliches Ziel war es, sie in maximal 100 Normseiten zu erzählen. Am Ende sind es 89 geworden. Man hat ja mit der Zeit recht gut im Gefühl, wie viele Seiten eine Geschichte braucht, um erzählt zu werden. Geschrieben habe ich „DER HIRTE“ innerhalb weniger Tage, die Recherche in Internet und in diversen Büchern sowie ein Telefonat mit dem Stadtarchiv in Trier und eines mit der Nationalparkverwaltung Eifel eingeschlossen.
Normalerweise begnüge ich mich nicht mit einer Fernrecherche, sondern suche alle Orte, an denen meine Geschichten spielen, persönlich auf.
In historischen Romanen spielt die (möglichst unauffällig zu bewerkstelligende) Pädagogik, d.h. die Informationsvermittlung über die Epoche und die Orte, in denen die Geschichte spielt, eine große Rolle. Bei „DER HIRTE“ aber lag der Fokus ausschließlich auf der Story. Daher musste ich mich mehr oder weniger nur über ein paar örtliche Gegebenheiten rückversichern und klären, ob es zutrifft, dass Ende des zwölften Jahrhunderts tatsächlich hungrige Wolfsrudel wegen der bitteren Winterkälte bis vor die Mauern der Stadt kamen.
Während des Live-Blog bei Amazon wurde mir die Frage gestellt, warum ich denn das Klischee des „bösen Wolfs“ bemüht habe. Das hängt zunächst mit dem Thema der Story zusammen. Eine Gruppe von Reisenden wird durch einen winterlichen Wald gejagt von einem Feind, mit dem man nicht kommunizieren kann und der den Protagonisten erbarmungslos auf den Fersen bleibt. Dabei sind die Wölfe und ganz besonders der Anführer des Rudels in erster Linie ein Symbol für die Selbstvorwürfe, mit denen sich die Charaktere quälen und die sie auch nicht loswerden können. Aber die Wölfe sind auch dramaturgisch notwendig. Wem sonst würde man in einem mittelalterlichen, verschneiten Wald zutrauen, eine Gruppe Reisender zu jagen? Auch wenn es im realen Leben äußerst selten vorkam/vorkommt, dass Wölfe menschliche Beute zu Tode hetzen, haben wir doch alle irgendwo in uns (gestärkt durch Jahrhunderte Propaganda) das Bild vom Wolf als dem gnadenlosen Feind des Reisenden. Man muss in der Fiktion mit Archetypen arbeiten, um die richtigen Bilder im Kopf der Leser hervorzurufen. Der Wolf ist nun mal in unserem Kulturkreis – unverdient – der Archetyp des bösen Raubtiers. Nicht zuletzt findet sich im Anführer der Wölfe aber auch ein Spiegel für Rainald von Mandach, die männliche Hauptperson der Geschichte; aber das hier genauer auszuführen, hieße einen mächtigen Spoiler zu produzieren, also lasse ich es bei dieser Andeutung. 

Wer hat das Cover gestaltet und wie bist Du zu dem Cover-Künstler gekommen? 

Das Cover habe ich selbst gestaltet unter Verwendung mehrerer eigener Fotos (u.a. eines Wolfs aus dem Nationalpark Bayerischer Wald), die ich in Adobe Photoshop zusammengebastelt und verfremdet habe. Wer das Cover also nicht mag: ich bin schuld!!!
 
Wie reagierte Dein Hausverlag auf Dein "Hirten" -Projekt, aufgeschlossen, oder zunächst eher reserviert?

 Mein Hausverlag Bastei Lübbe steht dem Projekt aufgeschlossen gegenüber, da ich ihm natürlich die Chance gab, die Geschichte selbst elektronisch zu vermarkten. Da sie aber nicht ins derzeitige Vertriebskonzept passte, gab es keinerlei Gebrummel, als ich mich an Amazon wandte.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Amazon, lief die über Deinen Verlag oder Deine Agentur?

Ich bin - in Abstimmung mit meiner damaligen Agentin - von mir aus auf Amazon zugegangen. Meine Agentur als dritte Partei einzuschalten, erschien uns beiden bei dieser Aktion als überflüssig. Die Zusammenarbeit mit den zuständigen Kolleginnen und Kollegen bei Amazon war äußerst angenehm, immer konstruktiv und sehr freundlich. Es hat großen Spaß gemacht und einmal mehr gezeigt, dass auch hinter einem so riesigen, mächtigen Gebilde wie Amazon letzten Endes Menschen stehen. Die Menschen, die ich dort kennen lernen und mit denen ich zusammenarbeiten durfte, waren alle klasse!

Bist Du mit dem bisherigen Verlauf  des Projektes zufrieden? Was erwartest Du Dir davon in näherer Zukunft?

Die Downloadzahlen des ersten Teils der Geschichte waren phänomenal und haben meine Erwartungen weit übertroffen. Bei den weiteren Teilen haben sich die Zahlen auf ein Maß eingependelt, wie ich es eigentlich erwartet habe. Ich gehe aber davon aus, dass sich das Interesse noch einmal steigern wird, wenn der ganze Text ab dem 23.12. zum Download bereitsteht und wenn nach Weihnachten all diejenigen, denen das Christkind einen Kindle unter den Baum gelegt hat, auf die Suche nach e-Books für ihren Reader gehen. Natürlich hoffe ich, dass auch Amazon die Aktion als Erfolg werten kann und dass unsere Zusammenarbeit fortgesetzt wird. Diverse Pläne dazu haben wir bereits besprochen.
  
Was sind Deine Pläne über das Thema e-Book hinaus?

Ich habe mit der Arbeit an meinem neuen historischen Roman für Bastei Lübbe begonnen. An dieser Stelle kann ich auch verraten, dass es darüber hinaus einen modernen Krimi aus meiner Feder geben wird (bei Ullstein), der auf seine ganz eigene Weise seinen Autor nicht verleugnen kann, indem er nämlich Bezüge zum Mittelalter aufweist.
Aber es wird keine Zeitreise-, keine Archäologen- und auch kein Aus-unerfindlichen-Gründen-wird-jemand-aus-dem-Mittelalter-in-die-Gegenwart-versetzt-Geschichte. Im Herbst 2012 erscheint zudem mein erster Jugendroman bei Ravensburger.
Meine freie Zeit dazwischen fülle ich mit zwei Schreibwerkstätten aus, die ich in meiner Heimatstadt Landshut (im Januar 2012) und in München (im März 2012) anbiete. Wer sich dafür interessiert – Näheres kann man bei meiner Eventagentur www.events-fuer-autoren.de  erfahren. Da gibt’s auch Gutscheine für diejenigen, die ein kreatives Schreib-Wochenende als Weihnachtsgeschenk vergeben wollen …

Soweit Richards Auskünfte zu meinen Fragen an ihn, für die ich mich hier noch einmal herzlich bedanke.
Ob Richards Pläne aufgehen, mit seinem „Hirten“ zu den ganz großen „Abräumern“ im weihnachtlichen Ebook-Geschäft zu zählen, wird die Zukunft erweisen.
Doch eines beweist Richards Projekt jetzt schon: Dass es offenbar weder dem Geldbeutel noch der Reputation eines arrivierten Autors schaden muss, sich in Verbindung mit einem sowohl marketingmäßig interessanten, wie literarisch sympathischen Projekt, als Selbstpublizierer zu versuchen.

 "Der Hirte" 1. Teil, kostenlos zu haben bei Amazon


Dienstag, 8. November 2011

8 Rules for Writing by Writers - die Lektorin

Herr Gray hat sich für einen neuen Beitrag innerhalb seiner kleinen Serie „8 Rules for Writing by Writers“ einmal an eine Vertreterin einer unter Autoren (und solchen, die es noch werden wollen) legendären Berufsgruppe gewandt: an eine Lektorin. 

Marion Voigt ist Mitglied im Verband freier Lektoren und hat sich aufgrund von Herrn Grays Anfrage die Mühe gemacht, aus ihrer Sicht einige Argumente dafür zusammenzustellen, weshalb ein Autor sich auf ein professionelles Lektorat für seine Texte einlassen sollte. Und zwar möglichst bevor er damit in irgendeiner Art und Weise an die Öffentlichkeit geht.

 Marion Voigt

Der Autor und sein Lektor: Sieben Sätze, die es in sich haben

Glücklich, wer schreibt und einen professionellen Erstleser hat. Jemanden, der das Werk bis zur Veröffentlichung begleitet und die Autorin, den Autor anspornt, das Beste aus sich rauszuholen. 
Ist das so selten?
Mit Hilfe der folgenden sieben Punkte lässt sich ausloten, wie gut die Chancen auf eine ersprießliche Zusammenarbeit zwischen Autor und Lektor stehen:


1. Eine Lektorin? Brauch ich nicht.

»Mein Text ist nahezu perfekt. Die paar Flüchtigkeitsfehler, die da noch drinstecken, seh ich beim Korrekturlesen selbst.«

Soll schon vorgekommen sein. Wer schreibt, weiß aber auch, dass Urteilskraft und Aufmerksamkeit gegenüber dem eigenen Text leicht verlorengehen. Die Lektorin bringt den nötigen Abstand mit, um nicht zu lesen, was gemeint ist, sondern was dasteht.


2. Mein Lektor versteht mich nicht …

»Da steht es doch schwarz auf weiß. Besser kann man das nicht sagen.«

Im Allgemeinen ist der Lektor nicht begriffsstutziger als die erhofften zukünftigen Leserinnen und Leser. Wenn er über eine Formulierung stolpert, lohnt es sich, die Passage noch mal unter die Lupe zu nehmen. Am besten gemeinsam.


3. Hilfe, mein Text wird kastriert!

»Das geht wirklich zu weit, wenn hier jemand streicht, dann ich.«

Ob das Einzelne zum Ganzen passt, merkt jede Leserin, jeder Leser intuitiv. Der Abschnitt zum Kapitel, der Satz zur Figur etc. Durch Streichen, Verschieben, Umformulieren können sich ganz neue Perspektiven ergeben – vorausgesetzt, es ist klar: Änderungen sind vor allem Vorschläge und führen vielleicht erst zur besseren Alternative.


4. Hoffentlich findet die nix ...

»Ich kann wirklich gut schreiben. Und ich bekomm die Krise, wenn mir jemand Fehler anstreicht.«

Falsch oder richtig, das ist nicht das Thema. Im Lektorat geht es um sprachliche Konventionen und Lesegewohnheiten, um Zielgruppen und Genres. Aber was macht einen stimmigen Text aus? Das klärt sich oft überraschend durch das Feedback der Lektorin.


5. Was tut der überhaupt für sein Geld?

»Was sollen die Fehler in den Fahnen. Hat der Lektor gepennt?«

Der Lektor ist kein Korrektor. Je intensiver die Arbeit am Text ausfällt, desto mehr verliert auch der Lektor an Distanz. Dagegen gibt es Strategien, aber es bleibt immer mal was stehen. Idealerweise lesen vor der Veröffentlichung außer dem Autor noch zwei neutrale Personen Korrektur.


6. Das macht meine Lektorin schon.

»Der Plot muss stimmen, alles andere findet sich.«

Jahreszahlen, Namen, Merkmale – in den Details genau zu sein lohnt sich. Nicht nur weil es Zeit und Kosten für die nachträgliche Recherche spart, sondern auch als vertrauensbildende Maßnahme und Signal an die Lektorin: Dieser Text hat Hand und Fuß.


7. Ich hab da noch eine Idee!

»Der Abgabetermin ist nicht das Wichtigste, schließlich soll mein Buch gut werden.«

Irgendwann ist der Zeitpunkt da. Das Werk aus der Hand geben, loslassen, zurückbleiben … Die redigierte Fassung sieht schon ein wenig fremd aus, und sie enthält ein paar brauchbare Anregungen des Lektors. Aber so schwer es fällt – jetzt sind Überarbeitungen fehl am Platz. Es sei denn, Zeit und Geld spielen keine Rolle.

 Copyright OL-Cartoons 
Marion Voigt ist entweder über ihre Webseite  oder über ihren Facebookauftritt zu erreichen.

Samstag, 5. November 2011

Er läuft, und läuft, und läuft .....

„He keeps walking“ – das ist der ebenso simple wie geniale Werbeslogan, der Blended Scotch Marke „Johnny Walker“.
Und Johnny Walker ist – ob nun mit rotem, grünen oder schwarzen Label – nicht Herrn Grays Lieblingsscotch. Denn das ist 12 Jahre alter „Laphroaig“-Single Malt. 


Weshalb dann hier auf Herrn Grays Blog über Johnny Walkers“ Werbeslogan posten?
Es gibt da noch einen anderen, ausser dem kleinen Johnny aus den schottischen Highlands, welcher „keeps walking“: Wladislaus Wajda aus dem Buch „Wolfswechsel“ nämlich, das heute seit 150 Tagen in den Kindle Top 100 vertreten ist.
Das ist schon ein Erfolg.
Eigentlich ist es sogar mehr als nur irgendein „Erfolg“.
Eigentlich ist das höchst erstaunlich, für ein Buch, das fast fünf Jahre lang kein Verlag haben wollte, weil es entweder in keine „Genre-Box“ passte, oder mit 150 Manuskriptseiten den Verlagslektoren zu kurz war, oder ihnen sein Thema zu kontrovers erschien, zumal Herr Gray bis dato höchstens in Film und Drehbuchkreisen als Autor einen sehr bescheidenen Ruf genoss, und seine Bücher daher nach Ansicht der Marketingmenschen in den verschiedenen Verlagshäusern für das große Publikum (noch) nicht „reif“ waren.
Dennoch hat sich Wladislaus Wajdas Geschichte als Kindle Ebook inzwischen über 5.000   Mal in Deutschland verkauft, und verkauft sich weiterhin. 

Es gibt eine Menge Kollegen – darunter auch Indie–Kollegen – die zweifellos mehr Bücher verkauft haben, als Herr Gray.  Dennoch liegen die Verkäufe der breiten Masse an Indie-Autoren noch sehr deutlich unter solchen Zahlen.
Diesen Kollegen sei hiermit Mut zugesprochen.
Herr Gray ist überzeugt, habt ihr einen spannenden, aufregenden und gut geschriebenen Text kombiniert mit einem guten Cover, dann habt ihr weiterhin nichts weiter zu fürchten, als Eure Furcht vor dem Markt selbst.
Und nun?
Nun macht sich Herr Gray auf, eine Flasche guten Wein zu kaufen. Und vielleicht wird er dabei sogar richtig übermütig und legt gleich noch eine Davidoff-Siegerzigarre drauf, die er heute ganz für sich allein mit einem dämlich glückseligen Grinsen im Gesicht zu ein bis fünf Gläsern Rotwein in seinem stillen Schreibkämmerlein rauchen wird, bis die Decke blau vor kubanischem Tabakqualm ist. 


Erhältlich ist "Wolfswechsel" hier:


und hier: 

beam.de für oyo und epub

Dienstag, 1. November 2011

Die üblichen Verdächtigen




                                                      Karikatur von Loriot



In den seltenen Fällen, das irgendwer über dunkle Kanäle und mit Hilfe furchtbarer Intrigen darauf gekommen ist, womit Herr Gray den (geringeren) Teil seines Geldes verdient - dem Verfassen von Romanen nämlich - wird er im Anschluss meist mit einer Reihe Fragen konfrontiert.

Dieser Katalog von Fragen ähnelt sich jedes Mal auffallend. Ich taufte ihn daher „ Die üblichen Verdächtigen“. 
Ich bin sicher, dass ich längst nicht der einzige Schreiber bin, der mit diesen „üblichen Verdächtigen“ zurande zu kommen hat und will sie daher hier in aller Öffentlichkeit sozusagen ein für alle Mal abhandeln.

Die drei Klassiker schlechthin: 

Frage:

Wann fallen Ihnen ihre Geschichten ein?

Antwort:

Ich weiss es nicht. Oder genauer: es existiert einfach keine Regel, auf die man den Daumen legen könnte. 

Ich weiss das hört sich jetzt womöglich merkwürdig an, aber es ist dennoch wahr: mir ist schon ein Plot für eine Shortstory auf dem Männerklo einer Disko eingefallen. 
Eine andere Geschichte erschien plötzlich in meinem Hirn, während ich auf dem Dach eines Busses, der zwanzig Jahre älter war als ich, in Ostnepal eine Bergstraße herauf fuhr und dabei meine Bergschuhe von einer mitreisenden verängstigten Ziege angeknabbert wurden. 
Wenn für mich in dieser Beziehung überhaupt  irgendeine Art von Regel existiert, dann lautet die, dass mir immer dann, sobald irgendeine Deadline näher rückt, ganz bestimmt NICHTS einfällt.

Frage:

Weshalb schreiben Sie, Herr Gray?

Antwort:

Es gibt einfach nicht viel, wozu ich sonst tauge. Obwohl ich einen Nagel in eine Wand schlagen könnte, ohne mir die Finger mit Blutergüssen zu verzieren, bin ich kein besonders guter Handwerker.

Ich kann außerdem auch nicht mit fünf Bällen gleichzeitig jonglieren und im Musikunterricht in der Schule war meine Lehrerin so gnädig., mich die Texte der Lieder, die alle anderen vorsangen, einfach als Gedichte rezitieren zu lassen, da meine Stimme klingt, wie eine angerostete Säge. Dass es mit einer Sangeskarriere für mich nichts werden konnte, wurde mir daher schon in einem recht zarten Alter klar.

Was ist mit den anderen Professionen, in denen sich Leute mit einem eher mittelmäßigen Talentlevel gewöhnlich sonst so tummeln?

Was ist mit einer Versicherungskarriere, oder einer bei einer Bank, oder in irgendeiner Nische im Beamtenapparat, zum Beispiel als Lehrer oder – weshalb nicht? – Polizist?
Sicher davon stand mal einiges zur Debatte.

Dennoch wusste ich etwa zur selben Zeit, als ich einsah, dass es mit einer Gesangskarriere nix werden würde, dass es im Grunde nur drei Schulfächer gab, in denen ich ohne viel dafür tun zu müssen, stets ganz passable Noten erzielte:  Deutsch, Geschichte und Kunst. 
Nachdem mir ein netter Kunstprofessor mittelte dass mein Zeichnerisches und Malerisches Vermögen womöglich tatsächlich um ein bis zwei Punkte über dem meines musikalischen Talentes lag, aber nur deswegen längst nicht ausreichte, um es in der Bildenden Kunst zu mehr zu bringen, als bloß einer Lebensstellung als Sozialhilfeempfänger, blieben noch: Deutsch und Geschichte.

Und obwohl es von da ab immer noch eine Weile dauerte, bis ich die Berufsnische fand, in der ich mich nunmehr eingerichtet habe, war es trotzdem von Anfang an eigentlich nur eine Frage der Zeit, das zu werden was ich heute bin: ein freier Journalist und Autor.
Na klar – der Verdienst könnte besser sein. 

Aber Geld ist auch nicht alles im Leben, oder?

Frage:  

Kann man schreiben lernen?

Antwort:

Zweifellos. 

Ein einziger Blick in eine deutsche Grundschule sollte auch den größten Skeptiker in dieser Beziehung vollauf befriedigen. 

Falls die Frage allerdings darauf abzielte, ob man fiktionales Schreiben lernen kann, lautet meine Antwort schlicht und ergreifend: ich weiss es nicht. 

Ich habe nie einen Creative Writing Kurs besucht. 

Mit Sicherheit weiss ich nur eines: die beiden entscheidenden Eigenschaften es in der Schreiberei zu irgendetwas zu bringen, bestehen 1) in Geduld  und 2) in der Bereitschaft für harte Arbeit.

Donnerstag, 27. Oktober 2011

Erfolgsvermeidungsstrategien Teil 2

Im Internet existieren abertausende Webseiten, Foren und Blogs, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, ihrer geneigten Zielgruppe entscheidende Hinweise auf dem Weg zum erfolgreichen Schriftsteller mitzugeben.
Herr Gray jedoch – ganz der verdrehte Träumer und Utopist als der er inzwischen berüchtigt ist – fand, dass zwischen jener unübersehbaren Anzahl von Ratgeberwebseiten und Blogs, eine ganz bestimmte Zielgruppe bislang noch niemals bedient worden ist: 

Jene Menschen, die literarischen Erfolg um jeden Preis VERMEIDEN möchten. Für diese spezielle Zielgruppe ist diese neue Serie innerhalb von Herrn Grays Blog konzipiert worden.


Die Gattung der Kritiker mit Subspezies als parasitäre Lebensform betrachtet

Wir alle, die wir uns dem Wahren, Schönen, Guten verpflichtet haben, wissen ja: Macht weint nicht. Macht kopiert nicht. 

Macht steht stets und ständig für sich allein. Und die Macht – das ist unwiderstehliches, authentisches Talent. 
Doch selbst die größten Talente waren niemals vollständig vor Versuchungen gefeit. Daher will ich Dich, lieber Leser, in diesem Blogpost über ein weiteres furchtbares Hindernis informieren, das sich Dir und Deinem Talent unweigerlich in den Weg stellen wird. 
Du als genialer Leser und erfahrener Autor hast natürlich längst geahnt von welchem Hindernis hier die Rede ist: dem Kritiker. 
Jenen von dunklen Trieben beherrschten Mitmenschen also, die mit ihrer Zeit nichts Besseres anzufangen wissen als wirkliche Talente aufzuspüren, und diese dann mit zusammengebissenen Zähnen in einem Anfall wilder Raserei zu zerstören. 
Und wie in meinem vorangegangenen Blogpost zur erfolgreichen Vermeidung jeglichen Erfolges stellt sich auch hier wieder die Lage nur auf den aller ersten flüchtigen Blick als überschaubar dar. Während sie in Wahrheit natürlich wesentlich komplexer ist. 

Denn das Vorkommen des gemeinen Kritikers in freier Wildbahn spaltet sich bei näherem Hinsehen in mindestens drei verschiedene Unterarten – auch Subspezies genannt - auf, die ich hier kurz bloßstellen werde. 

Grundsätzlich ist jedoch herauszustellen, dass sich jegliche Art des Kritikers als parasitäre Lebensform charakterisieren lässt. Ein Umstand, der allein schon die Dringlichkeit meiner Warnung vor jenen Lebensformen verdeutlichen sollte.

Subspezies 1: Der gemeine Kritiktroll

Diese Unterart des Kritikers ist die wohl die häufigste, und vermag es aufgrund ihrer recht ausgefeilten Tarnungstaktiken innerhalb von recht verschiedenen Habitaten seiner zerstörerischen Leidenschaften zu frönen. 

So findet man Vertreter jener Subspezies vor allem im Publikum von Lesungen, oder als Teilnehmer bei Vorträgen, oder Fachsymposien, seltener auch in Onlineforen oder in der Rolle von Blogpostkommentatoren. 

Gern verbirgt sie sich zumindest im World Wide Web hinter verschiedenen recht einfallslosen Pseudonymen, wie zum Beispiel Gothe15, Kleists-Liebchen, Christa77 oder gar Hemingways-Bar. Beim Umgang mit jener weit verbreiteten Subspezies gilt als Grundregel: Keinesfalls füttern!
Füttern ist in diesem Zusammenhang so zu verstehen, dass man gerade als Ausnahmetalent unter allen Umständen zu vermeiden hat, auf irgendeine der von Vertretern dieser Subspezies vorgebrachten Provokationen einzugehen. 

Im Umgang mit derartigen Wesen ist Ignoranz die aussichtsreichste aller denkbaren Selbsthilfetaktiken, denn fühlt sich jener gemeine Kritiktroll erst einmal auch nur im Entferntesten von Vertretern wahren literarischen Talents ernst genommen, so wird er jede Gelegenheit dazu nutzen, diese weiterhin mit seinen Fragen, Anmerkungen oder verdreht ironischen Kommentaren zu überziehen. 
Keinesfalls darf hier versäumt werden auf den gut ausgeprägten Schnüffel-Instinkt des gemeinen Kritiktrolls zu verweisen, die unter all der schier unüberschaubaren Masse an Texten und Autoren, erstaunlich exakt literarisches Katzengold von wirklichen Perlen und Kleinoden zu unterscheiden vermag. 

Und daher gewöhnlich nach nur einer kurzen Orientierungsphase sehr zielgerichtet auf die wenigen wirklich authentischen Talente zustürmt, um diese vor einer möglichst breiten Öffentlichkeit mit seinen unwillkommenen Aufmerksamkeiten zu überziehen.  
Haupttriebfeder jener Subspezies ist selbstverständlich purer Neid. Selbst absolut unfähig dazu einen auch nur einigermaßen künstlerisch anspruchsvollen Text zu verfassen, können diese - im Grunde ja bedauernswerten - Individuen gar nicht anders als sich im sensiblen Seelenfleisch wahren Talents zu verbeißen, sobald es ihnen wieder einmal gelungen ist, dieses erschnüffelt zu haben. 
Wollte man die Spezifika des gemeinen Kritiktrolls in einem einzigen Vergleich auf den Punkt bringen, so fiele mir da sogleich die gemeine europäische Stechmücke ein. 

Diese mag – besonders, falls sie in Form von Schwärmen auftritt – lästig fallen und ihr Stich auch zu unangenehmen Juckreiz führen. 

Wirklich gefährlich für die von Erfolgen ungestörte Weiterentwicklung authentischer literarischer Talente ist sie mit ihrer generell doch recht kurz bemessenen Aufmerksamkeitsspanne allerdings kaum.

Subspezies 2: Der semiinstitutionelle Textbewerter

Gerne wird jene – schon weitaus seltenere Subspezies des Kritikers – in Fachkreisen auch als Zweite Subspezies bezeichnet. 

Wie jene erste Subspezies handelt es sich natürlich auch in ihrem Falle um eine vornehmlich parasitäre Lebensform. Jedoch hat diese sich im Laufe ihrer langen Evolution wesentlich exakter an eine begrenzte Anzahl von Habitaten anzupassen vermocht. Als ihr bevorzugtes Habitat ist zunächst einmal das Internet zu nennen, in dem sie sich fröhlich und frei zu tummeln pflegt. 
 
Kennzeichnend für die semiinstitutionellen Textbewerter ist ihr im Vergleich zum gemeinen Kritiktroll deutlich besseres Sprachverständnis und der locker-kollegiale Umgangston mit dem sie sich ihren zumeist ahnungslosen Opfern anzunähern versuchen. 

Ausdruck ihrer erhöhten Anpassungsfähigkeit an das bevorzugte Habitat ist die Verwendung von habitatspezifischen Werkzeugen. 
Wo der gemeine Kritiktroll neben seiner rudimentären Webpräsenz schon mal persönlich auftaucht um seine lästigen Bewertungen und Anmerkungen an den genial Talentierten zu bringen, hat die Subspezies der semiinstitutionellen Textbewerter das Medium des Blogs und vor allem die Rolle des Administratoren von fachspezifischen Internetforen für sich erobert. Und: weiß diese Eroberungen auch durchaus selbstbewusst zu handhaben. 
Es ist daher unwahrscheinlich, dass sich Individuen jener Subspezies durch reine Ignoranz allein schon davon abhalten ließen, ihre typisch parasitären Andockversuche an authentische literarische Talente zu unterlassen. 
Höhere Anpassungsfähigkeit des Gegners erfordert auch in diesem Falle einen erhöhten intellektuellen Aufwand des potenziellen Opfers sich der Bedrohung durch den Parasiten zu erwehren. 
Aufgrund seines Eigenbildes als Vorreiter bzw. Führungspersönlichkeit seiner jeweiligen Gruppe von Bloglesern, respektive Forenmitgliedern, ist das Selbstbewusstsein der Vertreter der Spezies der semiinstitutionellen Textbewerter sogar noch  höher ausgeprägt als jenes des gemeinen Kritiktrolls. 

Hinzu kommt, dass der semiinstitutionelle Textbewerter in den meisten Fällen seine Rolle als Blogherrscher bzw. Forenadministrator nur als Mittel zum Zwecke eines späteren Aufstiegs in die noch seltenere Rolle des institutionellen Kritikers begreift. 

Mit anderen Worten: Tief in seinem parasitären Seeleninneren sieht sich der klassische Vertreter der Subspezies des semiinstitutionellen Textbewerters zum Gralshüter von literarischem Anstand und Akkuratesse berufen.  

Konfrontiert mit einem solch umfassenden Selbstbetrug bleibt dem potenziellen Opfer nichts weiter übrig als von Anfang an die ganz grobe Selbstverteidigungskelle zu schwingen. Daher, verehrte authentische literarische Talente, „Helm ab zum Gebet und anschließend frisch, fromm, fröhlich, frei – rücksichtslos zur harten Attacke geblasen“. 

Ganz gleich, ob diese Attacke in Form von groben persönlichen Beleidigungen erfolgt, oder – etwas subtiler – als Rufmordkampagne aufgezogen wird, entscheidend ist, dass sie ohne Zögern und so hart und zielgenau wie nur irgend möglich erfolgt. 

Wobei – eigentlich überflüssig darauf hinzuweisen – jene konzertierten Gegenangriffe selbstverständlich innerhalb des von dem jeweiligen Parasiten bevorzugten Klein-Biotops zu erfolgen haben. Also wäre der Blogherrscher in Form von Blogkommentaren und die Adminstratoren durch geschickt gesetzte Forenbeiträge anzugreifen. 

Gerne darf ein solches Verteidigungsunterfangen auch mehrgleisig gestaltet werden. 

So lässt es sich zum Beispiel mit einer Schmutzmailkampagne oder einer Reihe sarkastisch formulierter Anraunzer kombinieren. 

Hier sind der Phantasie kaum Grenzen gesetzt, obwohl man anmerken darf, dass es sich anbietet solche Parasiten an ihrer empfindlichsten Stelle zu treffen, die zweifellos in ihrer hartnäckigen Selbsttäuschung als Gralshüter des Schönen, Guten und Wahren zu suchen ist.




Subspezies 3: Der institutionelle Kritiker

Nachdem wir nunmehr die beiden häufigsten Subspezies des parasitären Kritikers näher beleuchtet haben, wenden wir uns der weitaus seltensten und zugleich gefährlichsten Subspezies jener Gattung zu: dem institutionellen Kritiker, auch Feuilleton-Redakteur, Lektor oder gar Literaturagent genannt. 
Hier, liebe Brothers and Sisters in Letters, gilt es vor allem die Ruhe zu bewahren, selbst wenn es zunächst für einige unausgeschlafene unter euch verwirrend scheinen mag, die parasitären Lebensformen der Feuilleton-Redakteure, Lektoren und Literaturagenten sozusagen in einen gemeinsamen Topf zu werfen.

Doch steckt selbstverständlich in Wahrheit auch hinter jenem vermeintlichen Chaos Methode. Denn all jene Subsubspezies haben einen entscheidenden Fakt gemeinsam: Sie brachten es nicht nur fertig sich in ganz verschieden strukturierten Habitaten auszubreiten, sondern perfektionierten im Laufe ihrer Evolution auch noch die so genannte zweifache Andockmethode.

Diese doppelte Andockmethode, wie sie von einschlägigen Fachpublikationen bezeichnet wurde, ist dadurch gekennzeichnet, dass jene Subspezies der institutionellen Kritiker sowohl ihre Saugnäpfe und Fangarme in das subtil verletzliche Fleisch der Autoren zu verankern vermögen, als auch zugleich innerhalb bestimmter profitorientierter Institutionen wie den Redaktionen von Tageszeitungen, Magazinen, oder TV Kanälen und den inneren Führungszirkeln von Publikumsverlagen oder literarischen Agenturen. 


Einmal zwischen die Fänge dieser besonders seltenen Spezies geraten, besteht selbst für gewiefte Besitzer wirklich authentischen literarischen Talentes kaum noch Hoffnung auf Befreiung von jenem Zugriff. 

Gnadenlos werden sie dann zu Akkordarbeiten an neuen Texten und einer endlosen Reihe von einlullenden Öffentlichkeitsauftritten gezwungen, die ihnen nach und nach nicht nur ihren letzten Nerv, sondern zuletzt selbst ihr ureigenes literarisches Talent verwässern.

Kennzeichnend für jene gefährlichste aller Kritikerspezies ist, dass sie ein untrügliches Gespür dafür entwickelt haben, wann ein authentisches literarisches Talent vom Druck ungewollten Erfolges derart weichgespült wurde, dass es sich nicht nur nahezu widerstandslos, sondern zuweilen sogar bereitwillig dem Andockversuch dieser Parasiten ergibt.

Als unerhört perfide ist jedoch die Taktik solcher Parasiten zu werten, ihre armen Opfer derart mit schleimigen Lobhudeleien und/oder Geld zu überschütten, bis diese auch noch ihren allerletzten Rest an inneren Widerstand aufgeben und sich mit Haut und Haar, Seele und Herz, dem sinistren Einfluss der institutionellen Kritiker ergeben.

Einige verehrte Kollegen gingen soweit die Subspezies der institutionellen Kritiker mit Vampiren zu vergleichen, die ihre hilflosen Opfer blutleer saugen. Ich halte diesen Vergleich für unglücklich. Vampire sind im schlechtesten Falle Märchengestalten, im besten Falle mythologische Figuren. Die parasitäre Subspezies des institutionellen Kritikers jedoch ist – leider – nur zu real.

Nunmehr hier ganz offiziell auf die vielfachen Gefahren hingewiesen, die von den verschiedenen Spezies und Subspezies des parasitären Kritikers ausgehen, will ich den geneigten Leser schon einmal auf den (vorerst) letzten Beitrag meiner Reihe „Erfolgsvermeidungsstrategien für Autoren“ hinweisen, in welchem sich alles um den Leser drehen wird. 




8 Rules for Writing by Writers - Emily Bold

Ein neuer Betrag zu Herrn Grays Aktion „8 Rules for Writing by Writers“ ist eingetrudelt. Diesmal kommt er von Emily Bold, Autorin von „Gefährliche Intrigen“ und „The Curse – Vanoras Fluch“. Emily zählt zu den erfolgreichsten Indie Autoren in Deutschland und ist eine gute Freundin von Herr Gray. Emily ist nie um eine witzige Bemerkung oder eine sarkastische Email verlegen, falls Herrn Gray von Zeit zu Zeit der Autorenblues packt. Daher ist es ihm eine ganz besondere Freude hier Emilys Beitrag zu den „8 Rules„ vorzustellen.


Mein Name ist Emily Bold, ich bin 31 Jahre und lebe mit meinem Mann und meinen Kindern in Bayern. David hat mich gebeten, ein paar der Regeln, nach denen ich schreibe, mit der Welt zu teilen:

1. Stelle es fertig.

Wie oft passiert es mir, dass sich Gedanken einschleichen, Geschichten in meinem Kopf Form annehmen oder besondere Szenen mich anbrüllen, ich möge sie zu Papier bringen. Ich würde aber niemals auch nur eine Geschichte abschließen können, wenn ich jedem dieser Impulse nachgeben würde! Darum gilt für mich: Beende erst eine Sache, ehe du etwas Neues beginnst.

2. Nie ohne mein Navi.

Wenn ich keinen klaren Weg vor mir habe, schweife ich ab. Da gibt es hier ein schönes Plätzchen, an dem ich verweile, oder ein holpriger Umweg erscheint mir auf einmal sehr reizvoll, und ehe ich mich versehe, habe ich mich verlaufen - bzw. verzettelt. Und so merkwürdig sich das anhören mag, kommt jetzt auch noch Nebel auf und ich finde nicht einmal mehr den Rückweg! Darum erarbeite ich immer zuerst einen ziemlich genauen Plot - mein Navi durch den Dschungel der vielen verschlungenen Wege zum Ende der Geschichte.

3. Und nie ohne meinen Exorzisten.

Ich komme aus Bayern, genauer aus Franken - wir haben einen eigenen Wortschatz und eine eigene Grammatik. Darum führt meine Lektorin (Exorzist) bei jedem neuen Werk, das ich ihr vorlege, eine regelrechte „Teufelswortkreations-Austreibung“ durch.
Aber wenn ich versuche schon beim Schreiben alles richtig zu machen, dann wird Gesagtes unrund oder Sätze abgehackt. Darum dauert meine Überarbeitung beinahe länger als das eigentliche Schreiben.

4. Niemand weiß ALLES.

Ich hoffe, ich höre nie auf, mir die Kritik meiner Leser anzuhören, sie zu beherzigen und zu versuchen aus ihr heraus größer und besser zu werden.

5. Sympathie wecken.

Binde deine Leser durch die Charaktere an dein Buch. Meistens vergisst man dabei die Schurken, Bösewichte und Gegenspieler. Nicht nur der Held muss strahlen und Sympathien wecken, sondern auch der Antagonist. Finde die positive Motivation in seinem negativen Handeln und schon mag ihn auch der Leser. Ich habe noch nie ein Buch zu Ende gelesen, in dem ich die Charaktere nicht mochte oder zumindest verstanden hätte.

6. Streichen.

Für mich gilt: Lerne Unnützes zu streichen. Das ist etwas, was mir sehr schwer fällt. Worte die ich schon geschrieben habe wieder zu streichen. Aber wenn ich beim ersten Überarbeiten an einem Satz hänge, dessen Notwendigkeit ich nicht auf Anhieb erkenne, weiß ich: Der muss weg. Im schlimmsten Fall lenkt so ein Satz ja doch nur von der Geschichte ab oder langweilt den Leser.

7. Glaube an dich.

Wer ein Buch schreiben will, muss an sich glauben. Es ist unsinnig, sich zu überlegen, wie dieser oder jener Autor an eine Sache herangegangen ist. Glaube an dich und versuche es auf deine Art.

8. Nimm dir Zeit.

Ob dies eine Regel für alle Autoren ist, oder nur speziell auf mich zutrifft kann ich nicht sagen, aber da ich 2 kleine Kinder habe, ist es eine meiner wichtigsten Regeln. Ich finde tagsüber nie die Ruhe, wirklich effektiv zu schreiben. Darum mache ich das nachts. Ich habe dann kein Mailprogramm offen und auch mein Telefon ist aus. Das ist meine Schreibzeit!




Emily in einem Interview für RTL2 anläßlich der Frankfurter Buchmesse 2011

Dienstag, 25. Oktober 2011

Skat am Revanchistentisch

Ostpreußen – davon hat man davon gehört, na klar. Das wurde im Schulunterricht erwähnt. Ostpreußen war mal ein Teil von Deutschland, lag an der Ostseeküste und fiel nach dem Krieg an Polen und die Sowjetunion. 

Und was weiss man sonst noch darüber unter den jüngeren Generationen?
Nichts bis gar nichts fürchte ich. 

Für die Mehrheit der jüngeren Generationen in diesem Land ist Ostpreußen wohl in etwa so fern und exotisch wie Nordosthawaii oder Papua Neuguinea.

Für mich sah das jedoch schon immer ein wenig anders aus. 


Gedenkstein an der ehemaligen Grenze zur Provinz Ostpreußen, mit eingearbeitetem Ostpreußischen Wappen. 

Ein Teil meiner Familie stammt aus Ostpreußen, etwa aus dem Gebiet, in dem sich Catherina von Bülows Gut in meinem Buch „Wolfwechsel“ befindet. 

In diesem Blogpost möchte ich wie auf der Seite zu Wolfswechsel hier, erläutern weshalb ein geistig mehr oder weniger gesunder und durchschnittlich gebildeter deutscher Autor ausgerechnet auf die Idee verfiel ein Buch über Ostpreußen zu schreiben.  

Ich besitze einen Brief, geschrieben im Dezember 1944 von einem Mann, der sich bereit machte, mit ein paar Pferden und einem Heuwagen voller Möbel, Papiere und Bilder seiner Heimat den Rücken zu kehren. Er ahnte wohl dass es ein Abschied für immer werden würde.

Doch er war auch ein typischer Ostpreuße. Und diese Leute gaben sich nicht so leicht geschlagen. Das war ein sturer, hart arbeitender Menschenschlag, ziemlich von sich selbst und der eigenen Kraft überzeugt. Es gehörte schon mehr als nur ein Weltkrieg und die gesamte Rote Armee dazu, um diesem Menschenschlag ihre Hoffnungen auszutreiben.

An dem Tag, als er diesen Brief schrieb, wusste dieser Mann nicht an welcher Front seine Söhne und Neffen kämpften. Er wusste ja noch nicht einmal, ob sie überhaupt noch am Leben waren.
Dennoch schreibt er in jenem Brief, er hätte eine gute, feste Metallkiste neben dem Haus vergraben, und in jener Kiste sei genug Werkzeug, um damit das Haus wieder aufzubauen, sollte es zerbombt oder zerschossen werden. Und wer immer von ihnen zuerst in die Heimat zurückkehre, der solle jene Kiste ausgraben und damit beginnen wieder auf zu bauen, was zerstört worden war.   

Der Mann, der jenen Brief schrieb war mein Urgroßvater.

Ich weiss, wo dieses Haus einst gestanden hat. 

Ich habe mir fest vorgenommen eines Tages dahin zu fahren, in den nun russischen Teil Ostpreußens, und zu dem Ort zu gehen, an dem es stand.

Wer immer dort jetzt leben mag, ob Pole, Russe, Ukrainer, Kasache, Litauer oder Lette, ich hoffe er wird mich als Gast und nicht als Gegner empfangen. 

Und ich hoffe, wer immer er oder sie sein mag,  wird ausserdem nichts dagegen einzuwenden haben, wenn wir gemeinsam einer Flasche den Hals brechen, auf unsere gegenseitige Gesundheit anstoßen und dann – ja dann uns womöglich mit Hacke und Schaufel zusammen aufmachen, um an jener Stelle nah beim Haus nach dieser guten,  festen Metallkiste zu graben, und nachzusehen, ob sie die Zeiten und Kriege tatsächlich überdauert haben mag. 

Man mag einwenden: auch andere Leute besitzen merkwürdige Briefe von ihren Vorfahren und kommen dennoch nicht auf die Idee Romane über so exotische Gegenden wie Ostpreußen zu schreiben.
Das ist richtig.

Aber vor diesem Brief kam ja der „Revanchistentisch“.

Der „Revanchistentisch“?


Ja, das war jener Tisch, an dem sich bei Familienfeiern, die älteren Damen und Herrn versammelten und sich in ihrem seltsamen Dialekt darüber austauschten, wer neulich gestorben war, oder krank geworden, oder in ein Altenheim umgezogen.  

Unter uns jüngeren Familienmitgliedern wurde dieser Tisch scherzhaft als  „Revanchistentisch“ bezeichnet und die jährlichen Heimattreffen, zu denen die Grosseltern fuhren, waren nur folgerichtig als „Revanchistentreffen“ bekannt. 

Natürlich hatten die älteren Damen und Herren am „Revanchistentisch“ ihre alte Heimat nicht vergessen. 

Aber da war auch keiner darunter, der je ernsthaft an der Gültigkeit der Grenzen zu Polen und Russland gezweifelt hätte, oder sich gegen Willy Brandts Ostverträge stemmte. Erika Steinbach war an jenem Tisch jedenfalls eine suspekte Figur. 

Zumal sie noch nicht einmal den richtigen „Stallgeruch“ mitbrachte, da ihre Familie ja nie wirklich in Ostpreußen ansässig gewesen war und die Leute an unserem „Revanchistentisch“ auf einer mehrere hundert Jahre währende Familientradition in Königsberg, an der kurischen Nehrung oder dem Frischen Haff  verweisen konnten.


 Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willy Brandt. Jener Mann der versprach: Mehr Demokratie in Deutschland zu wagen. Brandt war auch ein Mann mit Humor. Von ihm ist folgendes Bonmot überliefert: "Wer nur vier oder fünf Flaschen Wein im Keller hat, hat relativ wenig, wer aber vier oder fünf Flaschen im Kabinett hat, hat relativ viel."



Manchmal liess man sich an jenem Tisch auch dazu hinreissen, von etwas anderem als nur Hochzeiten, Krankheiten und Beerdigungen zu reden, manchmal sprach man da auch über den Krieg oder die Flucht. 

Ich habe bei solchen Gelegenheiten in der Regel meine Ohren aufgesperrt und aufmerksam zugehört. „Wolfswechsel“ verdankt diesen Erzählungen am „Revanchistentisch“ zwei ausserordentliche Episoden. Die beide auf Tatsachen beruhen und die mir lange Jahre niemals wieder wirklich  aus dem Sinn gingen, bis ich sie in dem Roman verarbeiten konnte.

Würde man heute im Jahr 2011 den guten alten „Revanchistentisch“ noch einmal besetzen wollen, so würde er nahezu leer bleiben, weil kaum irgendeiner von all den alten Herrschaften noch am Leben ist, um seinen angestammten Platz daran einzunehmen.

Ihre Geschichten sind mit ihnen gegangen. Und was waren manche davon doch für faszinierende Erzählungen.

Keiner hat sie je aufgeschrieben. Kaum einer, der sich bis heute dafür interessiert. Schliesslich waren das die Geschichten der „kleinen Leute“.  

Geschichten, für die selten genug Raum in den Geschichtsbüchern gewesen war, und für die die Historiker ihre Federn nicht gespitzt hätten.  

Dennoch sind es gerade diese Geschichten, in denen sich, wie in einem Brennglas, die grosse Historie in den Schicksalen der kleinen Leute spiegelte und erklärte.

Denn „keiner besitzt je irgendetwas wirklich. Mit einer Ausnahme: seiner Geschichte. Doch selbst die wird erst dann wirklich zu SEINER Geschichte, nachdem sie wenigstens einmal erzählt wurde. Denn erst im Erzählen scheidet sich Dunkles von Hellem, verwischen die Grenzen, wird Gut zu Böse und Böse zu Gut. Und - lernt man das eine vom anderen auf ganz persönliche Art  zu unterscheiden.“

Geschichte besteht nicht aus Geschichten, das ist schon wahr. 

Aber sie besteht eben auch aus mehr, als nur den trockenen Daten von Königskrönungen, Schlachten, Eroberungen und Kriegen. 

Diese „kleinen Leute“ mit ihren vermeintlich „kleinen„ Schicksalen jedenfalls konnten wenn sie schon nicht auf die Historiker zu hoffen hatten, um ihre Geschichten zu erzählen, immer noch darauf setzten, dass es zuweilen der ein oder andere unter den  Schriftsteller tat.  
Genau das habe ich mit „Wolfswechsel“ zwar nicht nur, aber eben auch versucht. 



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