Vor einigen
Monaten bat ich meine Kollegin Rebecca Gable mir einige Fragen zu beantworten.
Rebecca war damals so freundlich meiner Bitte zu entsprechen. Nun hat sie
sozusagen „Revanche“ gefordert und nunmehr mir einige Fragen gestellt, die ich
ihr genauso gern beantwortet habe.
Rebecca Gable -Bestsellerautorin |
Neben allem
anderen, was unserer beider Interviews thematisieren, sind sie vor allem eines
– nämlich ein Beleg dafür, dass die vor einigen Jahren noch so unüberwindlich
erscheinende Schwelle zwischen den Verlagsautoren und den Selbstpublizierern im
Zuge der E-Bookrevolution weiter schrumpft.
Was zumindest
meiner Auffassung nach ein gutes Zeichen ist. Denn am Ende dienen wir Autoren
alle derselben Majestät – nämlich dem Leser.
Wo liegen die Vorteile des Self Publishing gegenüber
der klassischen Verlagsveröffentlichung?
Um es mit einem
Wort zu sagen: Selbstbestimmung. Der Autor ist frei ganz allein über Plot,
Figuren, Thematik, Stil und Umfang und Cover seines Buches zu entscheiden. Das
weiß man wahrscheinlich erst dann zu schätzen, wenn man selbst mit einem seiner
Titel einmal durch die „Verlagsmühlen“ und die „Lektoratshöllen“ gegangen ist.
Zwei meiner Titel lagen und liegen immer mal wieder bei großen
Publikumsverlagen, werden aber jedes Mal aus demselben Grund nicht ins Programm
genommen - mit 160 bzw. 180 Seiten sind die Texte einfach zu kurz, als dass
sich eine Veröffentlichung für einen der großen Verlage wirklich lohnen würde.
Da dort dann der Verkaufspreis um die 7 bis 8 Euro liegen würde und mit
wesentlich umfangreicheren Titeln zum selben Preis zu konkurrieren hätte. So
simpel das klingen mag, doch die Käufer greifen eben im Zweifelsfall dann doch
eher zu dem umfangreicheren Buch.
Man darf
natürlich auch zwei weitere Aspekte in dieser Frage nicht außer Acht lassen.
Verlage haben ja erstens ganz bestimmte Corporate Images, zu denen nicht jeder
Titel passt, selbst wenn der gut geschrieben, clever geplottet und spannend
oder informativ zu lesen ist.
Und zweitens,
unterliegt der Printmarkt ja auch bestimmten Trends, die dann von den
Lektoraten möglichst umfassend bedient werden wollen.
So manches
qualitativ gute und eigentlich zu veröffentlichendes Skript /Projekt mag auch
gerade deswegen durch die Raster der Verlage rutschen, weil es gerade gegen den
jeweils herrschenden Trend gebürstet ist.
Im Indie-Bereich
fällt es hingegen ungleich leichter zeitnah auf bestimmte Trends einzugehen
bzw. diese zu bedienen, da dort nach der Fertigstellung von Text, Lektorat und
Cover sofort der Markt bedient werden kann.
Natürlich wäre es
einfältig den Verlagen wegen deren langer Vorlaufzeiten oder Titelauswahl
irgendeinen Vorwurf zu machen. Verlage
sind Wirtschaftsunternehmen, die nach
den spezifischen, ihnen zur
Verfügung stehenden Mitteln und Methoden, ihren jeweiligen Markt zu bedienen
haben, um ihr Bestehen zu sichern.
Wenn ich mir noch
einen persönlichen – und sicher nicht wirklich allgemeingültigen - Hinweis
erlauben darf, dann will ich hier offen eingestehen, dass mich die lange
Vorlaufszeit einer Verlagsveröffentlichung ganz besonders frustriert. Im
Regelfall können eineinhalb Jahre vergehen, bis
ein Buch am Markt erscheint. Das ist ein verdammt langer Zeitraum in
einem Geschäft, das kurioserweise andererseits auch so schnelllebig ist, wie der
Buchmarkt.
Außerdem - auch
wenn das jetzt als Gemeinplatz daherkommt – haben Selbstpublizierer ihre
Einnahmen (abgesehen von den Steuerbehörden) mit keiner weiteren Seite zu
teilen.
Wer es also erst
einmal in die oberen Chartränge bei Amazon.de geschafft hat, der kann bei einer
70 Prozent Tantieme schon mal in einem relativ kurzen Zeitraum durchaus mehrere
Zehntausend Euro verdienen. Und der E-Bookmarkt wächst ja aktuell immer noch
jährlich im mindestens zweistelligen Prozentbereich.
Die etwas mageren
Zahlen, die zum Wachstum und der
Bedeutung des E-Bookmarktes von Seiten
des Börsenvereins des deutschen Buchhandels oder aus verschieden
Verlagszentralen veröffentlicht wurden, weisen einen entscheidenden Haken auf:
Sie beziehen die Umsätze der Indie-Titel gar nicht mit ein. Aber die haben auf
dem größten Onlineshop, nämlich Amazon.de, im letzten Jahr allein über 50 % der
Verkäufe ausgemacht. (beurteilt anhand ihrer Präsenz in den Verkaufscharts.)
Und es braucht auch keine magische Kristallkugel, um zu konstatieren, dass
dieser Anteil bei anderen großen Shops nicht wesentlich geringer ausfiel.
Wissen Sie, wie hoch der Anteil von Self Publishern
am E-Book-Markt ist?
Diese Frage wird
Ihnen derzeit kein Mensch wirklich beantworten können. Sicher, es existieren
Zahlen dazu, doch schaut man da einmal hinter die Kulissen, stellt man stets
fest, dass die jeweiligen Statistiken von der einen oder anderen Institution
„getrimmt“ worden sind, so dass eigentlich sämtliche mir dazu bekannten
Aufstellungen unzuverlässig sind. Daher gebe ich hier einmal das ab, was man im
englischen so schön als einen „educated guess“ bezeichnet. Was mich dazu „qualifiziert“ diese
Einschätzung abzugeben, ist der schlichte Fakt, dass ich den Markt seit zwei
Jahren schon aus einem gewissen Eigeninteresse heraus intensiv beobachte.
Über die letzten
sechs Monate hinweg waren von den Top 50 Neuerscheinungen, die bei Amazon.de
erkennbar gelistet waren, also in einer eigenen speziellen Chart-Liste, im
Durchschnitt wenigstens 30 selbstpublizierte Titel. Da Amazon.de im deutschen
E-Bookmarkt einen Geschäftsanteil von circa 60 Prozent hält, darf meiner
Meinung nach, schon davon ausgegangen werden, dass im E-Bookmarkt derzeit die
Selbstpublizierer überwiegen. Doch ist
das, wie gesagt, ein „educated guess“, nicht mehr.
So, sehr grob
über Daumen, Zeigefinger, Fensterkreuz und Elbwasserstand gerechnet, würde ich
ja behaupten, dass der Anteil der selbstpublizierten E-Books den der
Verlagsveröffentlichungen im E-Bookmarkt übersteigt. Es existieren ja
abertausende selbstveröffentlichte E-Booktitel, von denen keiner je Notiz
nimmt, da sie es niemals soweit schaffen, in irgendeiner der Charts sichtbar zu
werden. Außer Freunden und Familie, des jeweiligen Autors, erfährt niemand von
deren Existenz…
Am 2.1. 2013 ließ Amazon.de Pressestelle verlauten dass die Top 23 Kindle Autoren jeweils eine Viertelmillion Bücher verkauft hätten. Eine gewaltige Zahl. Die sich jedoch exklusiv auf den US Markt bezieht.
Am 2.1. 2013 ließ Amazon.de Pressestelle verlauten dass die Top 23 Kindle Autoren jeweils eine Viertelmillion Bücher verkauft hätten. Eine gewaltige Zahl. Die sich jedoch exklusiv auf den US Markt bezieht.
Welche Vorteile bietet Amazon als Partner gegenüber
anderen Anbietern?
Amazon.de ist
rundum darauf ausgelegt leicht bedienbar zu sein, gerade auch für Anfänger und
Techniklaien. Das ist sogar ein entscheidender Teil des Amazon Konzepts.
Außerdem zahlt Amazon wahlweise 35 oder
sogar 70 Prozent des Endverkaufspreises eines Titels als Tantieme aus.
Ich habe bisher
eigentlich noch von keinem Kollegen gehört, der größere Schwierigkeiten beim
rein technischen Erstellen und der Veröffentlichung seines selbstpublizierten
E-Books bei Amazon.de gehabt hätte. Schwierigkeiten treten bei den SP’lern dort
eher im Bereich der Gesamtgestaltung des
jeweiligen Titels im Amazon-Onlineshop auf, Stichworte: Preisgestaltung,
Klappentexte oder Cover.
Amazon ist im
deutschen E-Bookmarkt immer noch der unangefochtene Platzhirsch. Diese Tatsache
allein sollte jedem zu denken geben, der sich mit der Idee einer
Selbstveröffentlichung trägt. Was Frank Sinatra
über New York
behauptete, trifft für E-Books und Amazon genauso zu: „ If you make it there /
You’ll make it everywhere“.
Und Amazon.de
bietet einen weiteren großen Vorteil. Der Autor geht keinerlei Verpflichtung in
Bezug auf die Buchrechte und das Copyright mit Amazon ein. Die bleiben in
vollem Umfang bei ihm selbst. Amazon fungiert einzig als Vertriebspartner. Was
man denen zuzusichern hat ist, dass sowohl das Copyright am Cover, wie auch das
am Text des Buchs beim Autor liegen. Sollte der Autor also irgendwann einmal
sein Buch doch einem Verlag anbieten können, wird Amazon ihm da nicht im Wege
stehen. Auch existiert keine Mindestlaufzeit – ist der Titel erst einmal bei
Amazon.de gelistet, bleibt er dort grundsätzlich solange gelistet, wie es dem
Autor gefällt.
Was allerdings in
Bezug auf die große Company aus Seattle trotz aller Vorteile, die eine
Zusammenarbeit dem Autor bietet, gern übersehen wird ist, dass Amazons Konzept
ja nicht einzig auf die Autoren ausgerichtet ist, so leicht und praktikabel
dort auch Veröffentlichungen zu bewerkstelligen sein mögen. Amazon möchte am deutschen
Markt derzeit vor allem seine Kindle eReader verkaufen. Und um dies zu
bewerkstelligen sorgt man durch clevere Konzepte und kluge Algorithmen dafür,
dass die Besitzer eines Kindle eReader ein derzeit im deutschen Markt
unvergleichbar bequemes und kundenfreundliches Einkaufserlebnis erwartet.
Das sicherlich
entscheidende Mittel dazu, den Kunden an Amazons Kindle eReader zu fesseln,
besteht im KDP–Select Programm, das es Autoren und Verlagen erlaubt, für
bestimmte Zeiträume ihre Bücher kostenfrei auf Amazons Webseite anzubieten.
Aber damit eben den Besitzer von Kindle Geräten/Kindle Apps auch jederzeit mit
neuen für ihn kostenfreien E-Books bedient. Das hat den Markt auf Amazons
Webseiten stetig schneller und für die Autoren härter gemacht. Denn – auch das
muss klar gesagt werden - nicht
Rezensionen, Cover, Plot oder Schreibstil eines E-Books allein, bestimmen bei
Amazon.de über dessen Charterfolge, sondern jener Algorithmus, der im
Softwarehintergrund des Shops erkundet „Wer jenes Buch kaufte, der kaufte auch
dieses“.
Ein Algorithmus
ist aber zunächst einmal neutral. Er wird stur seinen festgelegten Parametern
folgen, so dass neben tollen selbstpublizierten Titeln eben auch jede Menge an eher
zweit oder drittrangigen E-Books sich durchaus für einige Zeit im oberen
Chartbereich zu halten vermag.
Welche Möglichkeiten gibt es, für eine
Eigenveröffentlichung im Bereich E-Book Marketing zu machen und selber aktiv
für das Buch zu werben?
Das wahre Pfund,
mit dem am E-Bookmarkt zu wuchern ist, besteht in der möglichst breiten
Sichtbarkeit eines Titels. Grundsätzlich
wird sich wohl jede derjenigen Firmen und Institutionen, die Geld von Verlagen
für Werbeanzeigen akzeptieren, sich auch für das Marketingbudget von
Selbstpublizierern nicht zu schade sein. Das ist einerseits eine
Binsenweisheit, andererseits aber auch nur ein weiteres Beispiel für das
Grundprinzip des Kapitalismus.
Ist das
Marketingbudget für einen selbstpublizierten Titel also hoch genug, könnten Sie
auch als Selbstpublizierer locker mit der Sichtbarkeit von Verlagstiteln
mithalten. Nur gebe ich auch zu, dass ich bisher noch von keinem
Selbstpublizierer gehört habe, dem solch hohe Marketingmittel für seine Titel
zur Verfügung stünden. Und um nur ein Beispiel zu nennen: Eine wirklich effektiv sichtbare Werbeanzeige
auf SPON kostet schon mal mehrere Tausend Euro, und zwar für die Dauer einer
Woche. Bei anderen Magazinen sehen die Zahlen ähnlich aus.
Generell ist es
ja auch so, dass keiner je wirklich auf irgendeinen selbstpublizierten Titel
eines Newcomerautors wartet. Sämtliche
immer mal wieder aufgebauschten Aschenputtelstorys à la „von der unbedarften MacDonalds
Burgerschwenkerin zur E-Book-Auflagenmillionärin“ sind genau das – bloß
Stories, moderne Märchen.
Denn schaut man
mal genauer hin, dann wird man feststellen, dass jeder Kollege und jede
Kollegin, die einen längerfristigen Erfolg als Selbstpublizierer einfuhren,
auch die grundsätzlichen Bedingungen erfüllten, die gemeinhin an Verlagsautoren
gestellt werden.
Drittklassiges mag
seine Chance von einem neutralen Algorithmus genauso gut bekommen, wie gute
Titel. Doch sich für länger, als die berühmt–berüchtigten 15 Minuten Ruhm an
der Sonne der Top-Ten-Charts zu halten, gelingt nur denjenigen, die den Markt
mit einem ausgewogenen Produkt zu bedienen vermögen, auf das sich mittelfristig
auch eine loyale Fanbase aufbauen lässt.
Dieses ausgewogene
Produkt setzt sich zusammen aus a) dem Image des Autoren und b) aus dessen
Titeln. Zu den entscheidenden Parametern
jenes ausgewogenen Produktes zählt vor allem auch die Fähigkeit möglichst rasch
Titel auf Titel folgen zu lassen, derzeit gerne auch in Form von Buchserien.
Das bedeutet auch
für Indie-Autoren, dass sie schreiben, schreiben, schreiben müssen, um sich am
Markt halten zu können. Hinzukommt für
Selbstpublizierer der Zeitaufwand für die Organisation von Covergestaltung,
Lektoraten, Korrektoraten und dem Marketing.
Wer dies also nicht zumindest für einen
gewissen Zeitraum als Vollzeitjob begreift, wird weder kurzfristig noch
langfristig einen Fuß in den E-Bookmarkt bekommen können. Wobei natürlich auch hier einige wenige
Ausnahmen die Regel bestätigen. Doch fest steht eben auch, dass sich der
E-Bookmarkt in rasender Geschwindigkeit professionalisiert und diese Ausnahmen zunehmend
seltener werden.
E-Books sind
digitale Medien und sie werden über das Internet verkauft. Präsenz in
Printmedien hilft dabei zwar auch, aber steht als Verkaufsförderungsfaktor
hinter der Onlinepräsenz dennoch zurück. Online genügt der Klick auf einen
Link, um zum Produkt zu kommen, ein zweiter, um es auch zu erweben. Von
Printmedien oder gar dem TV heraus, braucht es schon einen komplexeren Vorgang,
um das Produkt zu erwerben. König Kunde mag jedoch vor allem die kurzen Wege.
Printwerbung, sei es in Form von Artikeln oder gar Werbeanzeigen, kann da für
E-Books nur ein untergeordnetes Werbemittel darstellen. Eine Nennung mit Link
auf der Webseite der Onlineausgabe irgendeines der bekannten Magazine oder
einer der regionalen und überregionalen Zeitungen wirkt jedoch für den Verkauf von E-Books, wie ein Dopingmittel auf
einen Leistungssportler.
Doch das
meistgebrauchte und effektive Mittel zur Popularisierung eines Indie-Buchs bzw.
Indie-Autors sind Bücherblogs. Es gibt inzwischen hunderte davon, viele werden
mit einem unglaublichen Eifer betrieben und bedient. Zwar herrschen dort auch
die Verlagspublikationen vor, aber viele der Blogbetreiber haben auch längst
ihre Scheu vor den Indie- „Schmuddelkindern“ verloren und sind durchaus bereit
ihnen eine Chance zu geben. Geizig
sollte man als Indie also nicht mit seinen Rezensionsexemplaren sein und am
besten auch von vornherein seinen Titel in den geläufigsten beiden Dateiformen
vorbereitet haben, das wäre einmal als PDF-Datei und zum anderen im
ePup-Format. Je mehr man davon unter die Blogbetreiber und an die Rezensenten
bekommt, umso besser stehen die Chancen
mit seinem Indie-Titel reüssieren zu können.
Ständig wichtiger
werden auch Communities, wie Lovelybooks.de oder Goodreads.com. Obwohl man gleichzeitig anmerken muss, dass es
unmöglich zu sagen ist, wie lange lovelybooks zum Beispiel Indie-Autoren noch
eine kostenlose Präsenz auf ihrer Seite gewährt. Aber Seiten, wie
lovelybooks.de werden auch zunehmend Konkurrenz am Markt bekommen, daher
dürften die Möglichkeiten sich auf solchen Community-Seiten durch Leserunden
oder das Verteilen von Rezensionsexemplaren einen Namen zu machen, in Zukunft
eher noch wachsen.
Ob Facebook auch
in Zukunft noch ein wirklich effektives Mittel zur Werbung darstellt, wage ich
hier und heute zu bezweifeln. Als „ausgelagerte Pressestelle“ und
kostengünstiges Mittel den direkten Leserkontakt zu halten ist Facebook für
Indies allerdings derzeit immer noch unschlagbar.
Was leisten Amazon oder andere Anbieter für Marketing
und Vertrieb?
Eigentlich gar
nichts oder eben – jede Menge. Was Amazon.de für die Neulinge unter den
Indie-Autoren leistet, ist schlicht und ergreifend, das Buch zu formatieren, es
zu listen und zum Verkauf auf seiner Webseite zur Verfügung zu stellen.
Hat man es allerdings
erst einmal mit dem eigenen Titel in die jeweiligen Amazon.de-Charts geschafft,
leistet Amazon eine ganze Menge, allein schon dadurch, dass der Titel dort in
den Charts sichtbar wird und durch den Empfehlungsalgorithmus von Amazon
ständig neuen Kunden empfohlen wird.
Auch sollte man
nicht unterschätzen, wie wichtig die Schlagworte sind, unter denen man seinen
Titel bei Amazon listen darf. Eine clevere Auswahl dieser Schlagworte ist schon
auch entscheidend, um Erfolg haben zu können.
Zwar wird bei Amazon
gern die so genannte Autorenprofilseite als Marketinginstrument angepriesen,
doch kann die so toll sein, wie sie will – ist kein Buch des Autors in den
Charts sichtbar, wirft auch kaum ein Mensch je einen Blick auf die
entsprechende Autorenprofilseite.
Andere Anbieter,
wie Libreka oder iTunes fahren da schon ein Konzept, das für Autoren weniger
praktikabel ist, als das von Amazon. Um mit seinem E-Book bei Apples
iTunes-Store gelistet zu werden, braucht man derzeit immer noch einen Servicedienstleister,
der dafür sorgt, dass der jeweilige Indie-Titel dort gelistet wird. Und der
wird in aller Regel Geld kosten.
Einige dieser
Servicedienstleister sind eigentlich weiter nichts, als eine zeitgemäßere Form
des Zuschussverlages. Außer der Listung
der jeweiligen Titel in den wichtigen Onlineshops wird da nichts Nennenswertes
für Werbung oder Marketing einzelner Autoren getan, obwohl gerade dies in den
Werbeanzeigen und auf der jeweiligen Webseite des Anbieters gerne ganz
besonders hervorgehoben wird.
Und diese
Servicedienstleister warten in bestimmten Fällen auch noch mit einer weiteren
versteckten Falle für den unbedarften Autor auf.
Durch geschickte
Formulierungen in ihren Verträgen mit dem Autor sichern sie sich einen Anteil
an den Rechten für dessen Titel. Konkret bedeutet dies: sollte das Buch
erfolgreich sein, und den Sprung vom E-Book in den Printmarkt schaffen, dann
verdient auch bei allen weiteren Vermarktungsformen des betreffenden Buchs
jener Servicedienstleister noch einmal kräftig mit.
Und das obwohl
diese Firmen, wie erwähnt, außer der Listung der Bücher in den einschlägigen
Onlineshops absolut nichts für dessen Verkaufserfolg beitragen. Denn den zu
bewerkstelligen bleibt ja ganz allein dem Autor überlassen.
Worin liegen die Gefahren bzw. Nachteile des Self
Publishing?
Die Gefahren,
wenn man sie denn so nennen will, liegen darin, dass von den Lesern zunehmend
erwartet wird, dass ihnen jederzeit alles auf Knopfdruck zur Verfügung steht.
Ist das einmal nicht der Fall – dann gibt es genug ähnliche Produkte auf die
zurückgegriffen werden kann und die gerade in dem Moment auch verfügbar sind.
Mit anderen Worten, die größte „Gefahr“ besteht in der deutlichen Verkürzung
der Aufmerksamkeitsspanne, die einem Titel zugemessen
wird.
Legt man den
Begriff „Gefahr“ einmal großzügig aus und ihn stellt ihn mit „Veränderung“
gleich, dann stehen wir gerade erst am Anfang von tief greifenden Veränderungen
im Buchgeschäft. Denn wie das
Filmgeschäft ab Mitte der 30er Jahre die
Literatur beeinflusste - Stichworte: schnelle Schnitte / Szenenwechsel/
verschiedene Erzählperspektiven auch in massentauglichen Unterhaltungsromanen –
so wird das rund um die Uhr für wenig Geld verfügbare E-Book das Verlags- und
Autorengeschäft extrem beeinflussen.
Ich bin überzeugt
davon, dass sich die Genre-Nischen weiter auffächern werden, aber trotz dieses
Phänomens dennoch jedes literarische Töpfchen weiterhin sein Deckelchen findet.
Auch wird sich im Zuge dieser
Entwicklungen selbstverständlich die Bandbreite der Texte, die im Netz (oder
besser: netznah auf elektronischen Geräten) konsumiert werden, erweitern.
Shortstories,
Kammerspiele, Essays, Apercus und Aphorismen – all das erlebt ja längst im Netz
eine Renaissance. Übrigens so gut wie unbeachtet vom Feuilleton.
Diese Tendenz zum
sehr schnell zu konsumierenden „Fast Food“-Lesestoff wird sich in den folgenden
Jahren noch erheblich verstärken. Was aber nun auch nicht gleich das Ende des
Abendlandes bedeuten muss.
Denn gerade durch
die weitere Auffächerung von Nischen wird zunehmend auch komplexe „anspruchsvolle“
und gegen den Mainstreamstrich gebürstete Literatur ihre Leser finden. Und, wie
ich – vielleicht zu optimistisch – glaube, es werden sogar noch mehr Leser
sein, als bisher. Für den ganz großen Buchkulturkater besteht also meiner
Meinung nach kein Anlass.
Mittelfristig ist
allerdings damit zu rechnen, dass Printbücher deutlich teurer werden. Ganz
gleich ob Paperback oder Hardcover.
Die Verlage
werden nach einer gewissen Konzentrationsphase, durch die die großen Häuser gehen
(siehe: Penguin / Random House Fusion) wahrscheinlich wesentlich weniger Titel
auch drucken lassen, da nach einer weiten Verbreitung von Lesegeräten, seien es
eReader, Tablets, Smartphones, der Leser
auch durch E-Books zu befriedigen sein wird, die nicht nur weit billiger
herzustellen, sondern auch
kostengünstiger über die eigenen Buchplattformen, Communitywebsites bzw. Verlagswebseiten zu bewerben sind.
Bedrohen die kostenlosen oder fast kostenlosen
E-Books solche Autoren, die versuchen, mit dem Schreiben ihren Lebensunterhalt
zu verdienen?
Ja diese
kostenlosen E-Books stellen eine, wie es im Juristendeutsch heißt, klare akute
Bedrohung dar – hauptsächlich jedoch für diejenigen, die vor der rasanten
Entwicklung im Lese- und Buchmarkt die Augen verschließen.
Ganz konkret
vervielfacht dieser Hang zum kostenlosen Produkt im Netz natürlich eine
Entwicklung, auf die ich oben bereits eingegangen bin – die Verkürzung der
Aufmerksamkeitsspanne, die der potenzielle Käufer einem Buch zugesteht. Mit
anderen Worten: Wer in nächster Zukunft im Netz keine Rolle spielt, der wird
demnächst auch im realen - nichtvirtuellen - Leben keine mehr spielen. Doch
dass wir Geschichtenerzähler uns um unsere Zukunft sorgen müssen bezweifle ich
doch sehr. “History may be a haunted house, as W.H. Auden once said, but it’s
haunted by stories, novels, myth” Diese Stories, Romane, Ideen und Mythen
bedingen Erzähler, die sie zum Leben erwecken. Wir Schreiber und Erzähler werden also immer
ein Feuer finden, an dem man uns willkommen heißt, und uns auffordert unserer Leidenschaft
zum Erzählen und Fabulieren zu frönen. Man wird uns dafür auch immer ein
Schälchen Reis offerieren. (Bei einigen mag das dann größer ausfallen, als bei
anderen. Aber auch das wäre nun alles andere als neu, oder?)
Die Form der
Verbreitung von Geschichten wird sich ändern, aber tut sie dies seit Anbeginn
der Zeiten nicht sowieso regelmäßig?
Kurzfristig wird
allerdings interessant sein zu sehen, wie sich so genannte Flatrates auswirken
werden, bei denen große Pakete von Büchern, Videos, Computerspielen für einen
sicherlich recht geringen monatlichen Betrag angeboten werden. Das könnte eine
Entwicklung sein, die vielen im Geschäft – sowohl Indies, als auch kleineren
Verlagen Kopfzerbrechen bereitet.
Als Fazit und
sozusagen Gebrauchsanweisung für eine nebelhafte Zukunft, kann ich jedem
zukünftigen Kollegen nur ganz konkret raten – sich von Beginn an darauf
einzustellen, seine Sachen selbst vermarkten zu müssen. Ganz gleich, ob er das
dann mit dem Rückenwind eines Medienkonzerns im Hintergrund tut, oder sein
Buchmarketing vom ersten Moment an ganz auf sich gestellt zu bewerkstelligen
hat.
Der Anteil der
begnadeten Selbstdarsteller im Buchgeschäft wird also höher werden. Sicher
werden sich mittelfristig die Grenzen zwischen Schauspielerei, DJ, VJ und
Autoren noch weiter verwischen. Denn einfach nur noch aus seinen Texten
vorzulesen, wird in einer zunehmend von noch mehr bunten Bildchen,
Videoschnipseln und Musik angereicherten Welt bald nicht mehr ausreichen.
Wenn Sie eine Prognose abgeben sollten: Wie wird
Ihrer Ansicht nach die Zukunft des Urheberrechts aussehen?
Im Urheberrecht
erleben wir ja gerade nach einer langen Ruhephase einen erneuten Ausbruch von
Verteilungskämpfen. Denn genau dies stellt der „Urheberechtsstreit“ in Wahrheit
ja dar.
Das
Worst-Case-Szenario besteht aber wohl in einer Machterweiterung der
Suchmaschinenbetreiber. Die daraufhin nicht zögern werden, das Netz aufgrund
ihrer Suchalgorithmen noch weiter in gefällige Schubladen aufzuteilen, wie man
das ja aktuell mit der xxx Adresse für pornographische Inhalte bereits
versucht. Ist das erst einmal gelungen, wird es deutlich höhere Kosten
verursachen, sich sein Plätzchen im virtuellen Kästchen zu registrieren.
Ein weiterer –
(derzeit) wahrscheinlicher – Aspekt dieses Worst-Case-Szenarios könnte in einer
merklichen Verkürzung des Copyrights bestehen. Denn, und da sollten wir uns gar
nichts vormachen, die Dynamik der Diskussion ums Urheberrecht wird nicht von
Rechteverwertern wie Verlagen oder Medienfirmen vorgegeben, sondern von Google
und anderen Suchmaschinenbetreibern. Diese Konzerne unterliegen nicht nur
US-Recht, sie identifizieren sich auch zuerst und vor allem mit US-Kultur und
aktuell gängiger US- Moral. Was für uns hier durchaus in einer Art „weichen
Zensur“ enden könnte. Denn wer mit seinem Namen bzw. Produkt bei Google nur auf
der 3. Suchergebnisseite existiert, der ist angesichts der sich verkürzenden
Aufmerksamkeitsspannen der User im Netz eigentlich schon gar nicht mehr
existent. Ein Leichtes also für Google kulturell, geschäftlich oder politisch
unliebsame Ergebnisse „verschwinden“ zu
lassen. Ein Leichtes auch für Google den Medienkonzernen und Rechteverwertern
im Bezug aufs Urheberecht Vertragsbedingungen aufzupressen. Und man darf da
auch nicht darauf hoffen, dass Konzerne auf
Grundrechte oder bürgerlichen Freiheiten Rücksicht nehmen würden.
Aber – und das
ist vermutlich die wirklich gute Nachricht in all dem – dieser Verteilungskampf
wird - gerade weil er von den veränderten Bedingungen durch das Internet
diktiert wird - auch durch das Internet geführt werden und sich daher lange
seine Dynamik erhalten. Diese Dynamik jedoch bietet immer auch Chancen für sehr
überraschende Wendungen.
David Gray |
Tolles Interview!
AntwortenLöschenGute Antworten! Kann fast alles unterschreiben. Und das, was nicht, auch nur deswegen, weil ich neu in der "Branche" bin ...
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