Donnerstag, 22. September 2011

Soundbites im Outerspace

Ich gehöre selbst zu der Handvoll Autoren, die von den derzeit aufgebrochenen Veränderungen in der Buch-/Verlagsbranche profitiert haben. Doch ist es ja so, dass sich mit Social-Media und Blogs der Arbeitsbereich von Autoren schon lange vor der Ebook Offensive entscheidend verändert hat.  In welcher Beziehung er sich verändert hat?
Wer seine eigentliche Aufgabe als Autor ernst nimmt, nämlich Unbekannten Geschichten zu erzählen, der weiß, dass er besser nicht so vermessen sein sollte, sich einzubilden, er könnte die „Realität“ in irgendeiner Weise selbst schreiben oder gar „erzeugen“, wie das ab und an von so genannten Experten für das Web 2.0  impliziert wird. Social-Media ist nicht akut oder nachhaltig genug um Realitäten zu erzeugen. Das Web erzeugt „Wellen“, „Räusche“ und Trends - wegen mir auch Skandale und Skandälchen. Vor allem aber ist es ein neutraler Resonanzboden für Ideen und persönliche Meinungen und Vorlieben. Darunter so manche, die einem vernünftigen Menschen durchaus das Gruseln lehren können. Das Web und Social-Media ist in allerletzter Konsequenz „zeitlos“, da es sich als Medium eben, bis auf wenige extreme Ausnahmen, neutral gegenüber denjenigen verhält, die in ihm agieren.  
Im Netz ist der einzige rote Fanden, den man als Autor für sich finden kann, der der eigenen ganz persönlichen Marke, eine Marke, die im Web 2.0 vor allem in Form von Soundbites an den Mann und die Frau gebracht wird. Etwas plakativer ausgedrückt: Bestimmt sich die Marke Autor XYZ im Netz durch den  Stil der Persönlichkeit des Autors und wird durch ihn viel stärker zu einem virtuellen Gesamtbild ausgeformt als das vor den Zeiten des Internets möglich war.
Jenes Gesamtbild der Marke „Autor XYZ“ besteht aus weit mehr  als nur dem Schreibstil oder dessen philosophischen / philologischen Ansichten. In Zeiten des Web 2.0 reichen gute Texte abzuliefern für einen Autoren längst nicht mehr aus, denn gut verfasste und  relevante Texte enthält das Netz schon in überwältigender Hülle und Fülle.  Wer heute jetzt und hier Erfolg als Autor haben will, der sieht sich zunehmend gezwungen weit mehr von sich preiszugeben als je zuvor. 
Denn um in Facebook, Xiing oder G+ sichtbar, das heißt   wahrnehmbar „vorhanden“ zu sein, sieht sich der Autor gezwungen Musikvideos, Grafiken, Slogans, Meinungen seiner Leser mit der Öffentlichkeit zu teilen, die insgesamt gesehen ein wesentlich komplexeres Bild seiner Persönlichkeit ergeben, als das bislang mit bloßen Presseerklärungen, Lesungsauftritten oder dem gelegentlichen Interview für Presse oder TV überhaupt möglich gewesen wäre. 


Der Autor, der in Zukunft bestehen will, wird nicht umhin kommen eine bestimmte „Marke Autor XYZ“ zu kreieren und diese Marke auf Gedeih und Verderb mit den in den Social-Media Webseiten anwesenden Usern zu teilen, das heißt diese „Marke Auto XYZ“ ihnen anzubieten. Aber er sieht sich eben genauso dazu gezwungen diese Marke in Echtzeit – das heißt laufend – weiter auszubauen und auszuschmücken, indem er Beiträge anderer User kommentiert, mit seinen ihm verbundenen Facebook oder G+ Freunden teilt, oder eben auch bestimmte von anderen Usern offerierte Inhalte  auch ab und an bewusst ignoriert. Die „Marke Autor XYZ“ will daher strategisch sehr gut durchdacht und vor allem auch langfristig angelegt sein, soll sie Erfolg zeitigen. Wer da jedem schnellen Trend gleich hinterherläuft, wird früher oder später „virtuell“ untergehen – das heißt konkret an Glaubwürdigkeit und daher „Sichtbarkeit“ unter den Usern und potenziellen Käufern seiner Produkte verlieren.
Auch eine weitere Fertigkeit verlangt die schöne neue Web 2.0 Medienwelt vom modernen Autoren: Er muss sich zwangsläufig in seinen Textformen auf die neuen Medien einstellen. Mit anderen Worten, wird er sich die literarische Gattung des Essays für seine Blogtexte genauso aneignen müssen, wie die des knappen aber provokanten „Soundbites“, mit dem er in  Chats und bei Kommentaren auf Online Publikationen punkten kann.  
Vor allem aber sollte keiner, der im heutigen Mediengeschäft sein Brot verdient, je außer acht lassen, dass in Web 2.0 und Social-Media Zeiten ein einziger dummer Ausrutscher nur noch Sekunden braucht um die Runde unter Kritikern, Beobachtern und Lesern zu machen. In Zeiten von Telefon und Postbriefen dauerte das Verbreiten eines Gerüchts, irgendeiner Anschuldigung oder negativen Bewertung wenigstens Minuten, wenn nicht Stunden. Heute ist es durch nur einen einzigen Mausklick bereits hunderten wenn nicht tausenden anderen Usern zugänglich. Usern, die diese Information ungefiltert an wieder andere User weitergeben oder gar mit eigenen Kommentaren versehen in eigenen Publikationsformen verwenden, wodurch selbst der dümmsten Behauptung ein gewisses Gewicht verliehen wird.  
Warum Herr Gray sich bemüßigt fühlte, diesen oben stehenden und für ihn ungewohnt trockenen und womöglich sogar etwas langweiligen Blogpost  zu verfassen, mag man sich unter der geneigten Leserschaft fragen.
Damit er ihn dem nächsten Deppen, der meint das Schriftstellerei im Internetzeitalter der reine Spaß sei, wenn schon nicht real, so dann immerhin virtuell in Form eines Links oder Zitats um die Ohren hauen kann.
Herr Gray dankt allen Lesern und Leserinnen für ihre Geduld und verspricht zugleich in seinem nächsten Blogpost etwas amüsanter drauf zu sein.

3 Kommentare:

  1. Wahre Worte, amüssant geschrieben!
    Herzliche Grüsse, Renate

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  2. Ich für meinen Teil hatte schon den ersten Spaß als ich auf Ihr Blog stieß. Wie renate45 habe ich mich auch am Text amüsiert. Sie nehmen die Sache sehr ernst. Und es ist ja auch wichtig, dass es so einmal geschrieben steht. Ich erlaube mir, gelegentlich einer Gelegenheit diesen Linkt auch für eine Um-die-Ohren-Schlagerei zu verwenden. Immer 2.0-mit-Quellenangabe. Unter uns, es gibt Seiten meiner Persönlichkeit, die halte ich auch vor mir streng geheim.

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  3. Huch, das hört sich doch etwas nach einem "Autorenblues" an. Ab und zu überkommt einen tatsächlich eine etwas negative Stimmung, manchmal auch das heulende Elend, um ehrlich zu sein.
    Nun hört sich aus deinem Mund die Mollklänge doch noch anders an, denn du mischt ja immerhin schon in den vorderen Reihen mit.
    Der heutige (digitale?)Autor muss anpassungsfähig sein, es ist wohl so. Und präsent. Das ergibt manchmal schon einen 8 Stunden Tag, nein, ein Spaß ist die Schreiberei wirklich nicht. Eher eine Sucht.
    Und von diesen 8 Stunden gehen nur drei fürs Schreiben drauf. Der Rest ist für Facebook, Twitter, Blog und Groupspflege anberaumt. In Foren und auf anderen Blogs muss man sich auch mal austauschen, sonst sinkt die Besucherzahl auf dem eigenen tief nach unten.
    Das geht so schnell. Mit Worten muss man vorsichtig sein, die Fettnäpfchen stehen überall, da hast du Recht. Aber meine Persönlichkeit lasse ich trotzdem nicht durchleuchten.
    Mir ist der öffentliche Exhibitionismus der letzten Jahrzehnte zuwider.

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