Sehr verehrter
Michael Krüger, zunächst einmal vielen herzlichen Dank, dass Sie es trotz eines
engen Terminplans einrichten konnten meine Fragen zu beantworten. Sie sind Schriftsteller und Verleger im Hanser Literaturverlag.
Aber auch einer der bekanntesten deutschen Intellektuellen.
Kämpft der
wirtschaftlich orientierte Verleger in Ihnen hin und wieder mit dem
Textliebhaber und Autor darum, welches Buch eine Veröffentlichung wert wäre?
Dies ist ein täglicher Kampf. Denn natürlich liegt
uns die Qualität am Herzen, aber erstens schreibt nicht jeder Autor immer nur
großartige Bücher, sonst gäbe es nur großartige Bücher, und zweitens müssen wir
natürlich auch auf die Wirtschaftlichkeit des ganzen Verlages achten.
Herr Krüger immer wieder melden Sie sich (soweit ich
weiß in dieser Form als einziger Verleger) per Youtube Video zu aktuellen
Themen zu Wort. Offenbar für Sie also keine Berührungsängste mit dem Medium
Internet?
Nein, ich habe überhaupt keine Berührungsängste mit
dem Internet. Ich habe nur zu wenig Zeit, um mich damit wirklich zu
beschäftigen. Wenn es dem Verlag und seinen Büchern nützt, würde ich mich
stärker im Internet bewegen. Aber ich habe den Verdacht, daß die Papiermenschen
und Bücherkäufer nicht unbedingt auch die Internet-Menschen sein müssen.
Michael Krüger, Autor, Verleger, Intellektueller (Quelle: Focus)
Dieses Interview wird innerhalb von kürzester Zeit tausende
Male gelesen, verteilt und zitiert werden. Irgendwo auf dem Weg durch die
virtuellen Weiten wird es auf wenige Worte reduziert als bloßer Soundbite auf
Blogs in Facebook-Kommentaren und dem ein oder anderen Newsdienst oder RSS Feed
enden. Das Internet also als der „große Vereinfacher“ der „Dampfpflug des
Medienzeitalters“, dessen Dynamik kaum eine öffentlich getane Äußerung entgehen
kann ohne reduziert zu werden.
Sie sind ein ausgewiesener Liebhaber der Bücher und
des geschriebenen Wortes, was geht einem solchen Mann angesichts dieser
Realität durch den Sinn? Herrscht da
eine gewisse Trauer, gar Wut?
Trauer, dieser
Begriff bringt es auf den Punkt. Ich habe in der letzten Woche vor den
Buchhändlertagen einen Vortrag des Abschieds gehalten, in dem ich versucht
habe, die ungeheuren Veränderungen zu formulieren, die nicht nur unsere
Branche, sondern die ganze Gesellschaft betreffen.
Ein Internet-Aktivist
sagte danach, er sei sich wie in einer Kirche vorgekommen, und wie dieser
Vortrag in der Presse weggekommen ist, entspricht genau der von Ihnen
geschilderten Reaktion: Man hat einen oder zwei Sätze herausgepickt, um zu
zeigen, wie schlau man ist.
Vom Ton und der
Atmosphäre des Vortrags ist nur bei denen etwas angekommen, die überhaupt
noch in der Lage sind, einen längeren Vortrag anzuhören. Wo diese verschiedene
Wahrnehmungsbereitschaft einmal enden wird, das wage ich mir gar nicht auszudenken.
Michael Krügers viel beachtete Rede auf den Buchtagen 2012
Stichwort: Piratenpartei und Urheberrechtsdebatte.
Die eine Seite huldigt vermeintlich der Geiz-ist-geil-Mentalität, die andere
sieht sich – bewusst überspitzt – als letztes Bollwerk gegen den Untergang des
kulturellen Abendlandes.
Auf beiden Seiten des Debattenzauns, so habe ich den
Eindruck, werden derzeit keine Gefangenen mehr gemacht. Irgendeine Idee wie man
die Affäre entschleunigen, bzw. auf ein erwachsenen Menschen angemessenes
Diskussionsniveau herab kochen könnte?
Ich glaube, man
wird sich irgendwo einigen. Auch die Piraten veröffentlichen jetzt ihre Bücher
und werden schon darauf achten, daß sie ordentlich bezahlt werden. Das ist wie
immer bei Revolutionen: Wer das Glück hat, zu überleben, wird Bürger. Und
Bürger einer Gesellschaft geben sich Gesetze, sonst würde die Gesellschaft
zerfallen.
Herr Krüger – besitzen Sie einen eReader? Oder
bevorzugen Sie weiterhin das gedruckte Buch?
Nein, ich besitze
keinen eReader. Und was übers Internet kommt, drucke ich mir aus.
Es hat sich seit letztem
Jahr ja so einiges in der Buchwelt getan; Stichwort: E-Books. Wie sehen Sie aus
Ihrer professionellen Sicht als Verleger diese Entwicklung? Bringt sie Schaden,
ist sie womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht
irgendetwas dazwischen?
Wenn noch zehn
Prozent mehr Leser ihre Bücher aus dem Internet holen, wird sich unsere Branche
verändern, vom Buchhandel über die Verlage bis zu den Autoren. Ob das ein Segen
wird oder ein Fluch, das wird die Zukunft zeigen
Allgemein malt man die Zukunft des stationären Buchhandels ja in einem eher düsteren Licht. Schließen Sie sich diesen Unkenrufen ebenfalls an?
Der stationäre
Buchhandel muß sich in der Tat viel einfallen lassen, um mit berechtigtem Stolz
das zu vermitteln, was er kann. Das wird schwer werden.
Unter vielen Autoren, ob
arriviert oder noch Anfänger, herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein
könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von
den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von
vornherein ausschließt. Ist da etwas dran? Würden Sie selbst einen
erfolgreichen Indie-Autor in Ihre Autorenliste aufnehmen?
Natürlich wird es in Zukunft viele Autoren geben, die
ihre Bücher direkt ins Internet stellen. Ob sie damit Erfolg haben, wird sich
zeigen.
In der Buchbranche
debattiert man seit einiger Zeit darüber, ob es dem Markt langfristig schadet,
wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln
zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an
der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?
Wenn alles nur
unter drei Euro kostet, dann werden weder die Autoren noch die Verlage
überleben. Also sollte man mit allen Mitteln versuchen, solche Entwicklungen zu
stoppen.
Wo sehen Sie den deutschen
Buchmarkt in fünf Jahren? Werden so genannte Indie-Autoren darin wirklich eine
beständige Rolle spielen, oder hat das Phänomen Selbstpublizierer, wie so viele
andere netzbasierte Trends, bis dahin seine Halbwertzeit längst aufgebraucht?
In fünf Jahren?
In Goethes einzigem Roman läßt er Eduard sagen, daß man früher etwas für sein
ganzes Leben gelernt hat, man heute aber sich alle fünf Jahre ändern muß, um
mit der Mode zu gehen. Das war um 1800. Heute sollte man sich alle fünf Tage
ein neues Kleid anziehen. Ich werde diese Beschleunigung nicht mitmachen.
Nun, die sicherlich
furchtbarste Frage von allen: Herr Krüger, wie muss ein Exposé bzw. Manuskript
beschaffen sein, um Ihre Neugier zu erwecken?
Es muß klug sein,
gut formuliert, und vor allen Dingen: Es muß meine Neugier wecken.
Welche Frage wollten Sie
schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade
diese?
Wie geht es Ihnen
in einer sich rasend schnell verändernden Welt?
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