Meine Kollegin
Birgit hat ein Interview mit mir für ihren Blog gemacht. Ich will es natürlich
keinem vorenthalten, der es lieber auf meinem Blog lesen mag.
War es schon immer dein Wunschtraum, Geschichten zu
schreiben oder gab es irgendein Schlüsselerlebnis?
„Ich hab spät
lesen gelernt, aber danach war ich angefixt und bin es bis heute geblieben. Ich
hab alles gelesen, was ich in die Finger bekam. Auch jede Menge Mist, da ich in
der DDR geboren wurde, auch all dieser sozialistischer Realismus in postfaschistischer
Heldenpose.
Irgendwann
begannen sich in meinem Kopf neue
Geschichten zu formen. Geschichten, die ich für besser hielt, als das, was ich da gerade las.
Das war eine Art
Automatismus für den ich nichts konnte, aber für den ich mittlerweile durchaus
dankbar bin.“
Wie stark steckst du in deinen Themen drin? Kommt es
vor, dass dich die Handlung einer Geschichte bis in deine Träume verfolgt oder
dir sogar Angst macht?
„Bis in die
Träume kommt vor. Selten zwar, aber es geschieht. Ich habe allerdings keine
Alpträume von meinen Geschichten. Ich bin mir des Unterschieds zwischen
Realität und Fiktion bewusst. Ich weiß zu gut, dass die Realität viel komplexer
und furchtbarer sein kann, als jede Fiktion. Wer Realität und Fiktion zu sehr
mischt, der kann meiner Meinung nach auch keine gute Fiktion erfinden –
Stichwort: Nabelschau. Ich kann das nicht leiden. Zu viele – auch sehr gute
Kollegen – tun das immer noch und halten es für den Heiligen Gral des
Schreibens. Dabei ist es in vielen Fällen die pure Feigheit etwas anzupacken,
von dem sie wissen, dass sie sich dafür aus ihrer langweiligen Literatenstube
in die Welt hinaus begeben müssten. In die Welt hinaus zu gehen ist ja auch
nicht immer nur witzig. Aber für die Produktion von ausdrucksstarker Literatur
meiner Meinung nach unerlässlich. Man muss ja keinen Mord begehen, um
über einen Mord glaubhaft schreiben zu können. Aber schon mal mit einem oder
zwei Mördern gesprochen zu haben, hilft dabei.“
Was für Bücher gibt es bisher von dir zu kaufen? Bist
du auf ein Genre fixiert oder könntest du dir auch vorstellen, mal was ganz
anderes auszuprobieren?
„Ich habe
Sachbücher geschrieben, Reportagen und Film –und Kunstkritiken. Mein
bevorzugtes Genre ist der Spannungsroman. Der kann – aber muss nicht –
deckungsgleich mit Thrillern oder Krimis sein, zuweilen sogar ins Horrorgenre
tendieren, aber ich will mich ungern auf eine dieser Schublädchen festlegen
lassen. Vielleicht ist es aber auch nur die pure Eitelkeit. Immerhin ist
Dostojewskis „Schuld und Sühne“ am Ende auch nur ein Spannungsroman der
Subkategorie Krimi. Allerdings, und das muss gesagt werden, ist er ein verdammt
guter. „
Hast du schon einmal eine Lesung veranstaltet/ Wie
könnte eine Lesung bei dir aussehen bzw wie sieht sie aus?
„Ich habe als
Teil einer größeren Gruppe von Musikern und Artisten vor vielen Jahren
angefangen Lesungen zu veranstalten. Immer dieselbe Geschichte, ab und zu mal
garniert mit einigen Gedichten meines Freundes Yves Morr. Das war kein
ausgesprochener Erfolg. Das Lampenfieber fand ich fast so grausam wie die
gelangweilten Blicke aus dem Publikum.
Später habe ich
dann immer mal wieder im kleineren Kreis gelesen, meist Anekdoten oder
Aphorismen, ab und an auch mal eine kürzere Story.
Dabei habe ich
gelernt, dass bei Lesungen auf eine charakterliche Eigenheit definitiv ankommt:
die Fähigkeit zur Selbstironie.
Wer sich und
seine Texte bei Lesungen zu ernst nimmt, den straft das Publikum gnadenlos ab.
Und wie ich mittlerweile meine, auch zu recht.
Ich werde zusammen
mit Freunden im Sommer diesen Jahres eine Reihe von Lesungen veranstalten, die
von Musik begleitet werden, und außerdem ein Kakerlakenrennen beinhalten, bei
dem gewettet werden darf. „
Was ist das Besondere an deiner Art zu schreiben?
„Ich betreibe die
Schriftstellerei wie ein guter Koch einen Eintopf angeht: ich suche mir
allerlei Elemente aus Literatur, Philosophie und Geschichtsschreibung zusammen,
schäle sie, putze sie, schneide oder quetsche sie und werfe sie zuletzt gemeinsam
in einen Topf mit ein wenig heißer Eigener-Erfahrungs-Brühe. Manchmal
funktioniert das erstaunlich gut. Manchmal geht’s heillos schief, wie die
ungefähr sieben oder acht unbeendeten Romane und Novellen irgendwo in den
dunklen Tiefen meines Computerspeichers eindrucksvoll beweisen“
Wie sieht es mit deiner Disziplin aus? Bist du eher
ein Tag- oder Nachtarbeiter? Wie gehst du einen neuen Stoff an?
„Ich habe
zunehmend größeren Respekt vor dem Anfang einer neuen Arbeit, und brauche auch
etwas länger als zu Beginn meiner „Karriere“ die passende Stimme für die
jeweilige Geschichte zu finden. Ist mir dies allerdings erst einmal gelungen,
schreibe ich wann immer es möglich ist – zur Not auch auf dem Klo oder in einer
überfüllten Straßenbahn. Ich habe auch auf dem Dach eines fahrenden Busses
irgendwo im Himalaya schon auf einem Stück Klopapier die Grundzüge einer
Novelle skizziert, während eine
mitreisende Ziege fröhlich an meinen Haaren herumknabberte.“
Wie stark setzt einen die Arbeit als Autor unter
Druck? Wie gehst du mit Deadlines und der Erwartungshaltung deiner Leser um?
„Ich kann mit
Deadlines relativ gut umgehen, das rührt aus meinem Job als Journalist her. Die
Erwartungshaltung der Leser ist mir egal. Ich kenne die ja gar nicht. Wem einer
meiner Texte gefiel, dem muss ja nur deswegen anderes von mir nicht zugleich
auch zusagen. Die Leser – das ist eine unbestimmte und vor allem unbestimmbare Größe. Ich glaube, ihnen
ist am besten gedient, indem man sie bei der Entwicklung einer neuen Arbeit
völlig außen vor lässt. Die werden erst wieder interessant, sobald die Arbeit
ihren Weg in die Welt hinaus antritt. Dann allerdings sind sie das Maß aller
Dinge. Schon deswegen, weil sie es sind, die am Ende für meine Arbeit ihre
Daumen eher senken, oder heben. Literatur ist zu einem gewissen Teil ja immer
auch Showbiz. Daran ist nicht zu rütteln.“
Wie sieht es mit dem Traum von der eigenen
Bekanntheit aus? Siehst du auch Nachteile?
„Natürlich sehe
ich darin auch Nachteile. David Gray ist ein Pseudonym. Ich führe ein Leben
neben der Schreiberei. Dieses Leben ist mir sehr kostbar. Daher ist David Gray von Beginn an als
Kunstfigur angelegt worden. Er mag ja so einiges von mir selbst haben, aber ich
– das ist schon ein anderer, als dieser Herr Gray mit seiner großen Klappe und
dem Hang zur Rechthaberei. Ich denke auch, dass diese Art der literarischen
Kunstfigur vom Publikum wesentlich problemloser akzeptiert wird, als von so
manchem Kollegen. “
Welche Eigenschaften sollte ein zukünftiger Autor
mitbringen?
„Talent,
Furchtlosigkeit und jede Menge kriminelle Energie“
Der kürzlich verstorbene Steve Jobs, zitiert mit einem bonmot das für alle Künstler gelten sollte.
Laut einer kürzlich veröffentlichten Studie ist an
dem Spruch, daß Genie und Wahnsinn nahe beieinander liegen, tatsächlich was
dran. Zumindest fanden sich in den Gehirnen kreativer und künstlerisch tätiger
Menschen Veränderungen, die denen geistig kranker Menschen ähnelten. Wie denkst
du darüber? Sind Schriftsteller eine besondere Spezies?
„Dass die Dichter
etwas Besonderes sind ist ja ein Denkkonzept, dem erst die Romantik neues Leben
einhauchte, nachdem es ziemlich lange relativ brach gelegen hatte.
Wir leben derzeit
in einem Romantik-Revival. Da passt auch das Klischee vom Genie und dem
Wahnsinn wieder ganz gut ins Bild. Ich
persönlich glaube, dass sich unter Autoren ebenso viele Korinthenkackerische
Langweiler finden lassen, wie ausgeflippte Egomanen, friedliche Schizophrene oder
psychopathische Irre. Aber das gilt für Tischler, Taxifahrer oder
Bankangestellte genauso.
Was Hirnstudien
angeht, so will ich hier einen guten Freund von mir zitieren, seines Zeichens
Neurologe und Wissenschaftler: „Selbst sämtliche derzeit verfügbaren Rechner
zusammengeschaltet ergäben immer noch weniger Rechenleistung, als Du in etwa dafür
brauchst Deinem Finger zu befehlen Deinen Stift zu ergreifen um Deinen Namen
unter irgendein Dokument zu setzen. „
Anders
ausgedrückt: Ich halte die meisten dieser so genannten Studien für übertrieben in ihren Schlussfolgerungen und gebe daher nichts darauf.“
Wie sieht für dich der ideale Verlag aus? Was würdest
du dir von einem Verlag wünschen?
„Ein guter Verlag
sollte sein wie eine heilige Hure. Sie soll beim kopulieren – das heißt, dem Entstehen
der Texte mit ganzem Herzen, kreativ, scham- und hemmungslos dabei sein. Beim
Lektorat jedoch die selbstbewusste Pedantin herauskehren, um sich dann bei der
Vermarktung der Texte für keinerlei Schweinerei zu schade zu sein.“
Viele Autoren veröffentlichen ihre Bücher inzwischen
ohne Verlag, manche mit ganz beachtlichem Erfolg. Das eBook ist im Kommen,
Verlage versuchen sich an völlig neuen Konzepten. Wie stellst du dir den
Buchmarkt in zehn Jahren vor?
„Im Idealfall
wird der Markt wesentlich bunter und vielfältiger sein, als jetzt. Damit auch
unübersichtlicher. Der Markt für Autoren wird allerdings deutlich wachsen.
Immer mehr technische Möglichkeiten wollen von uns erobert und besetzt werden. Die
Menschen waren noch nie so hungrig nach Geschichten, wie gerade jetzt. Ein
Trend, der übrigens anhalten wird. Nur ist es ihnen inzwischen zunehmend gleich
in welcher Form man ihnen Geschichten serviert, ob als klassischen Roman, als
Computerspiel, Film, Videoclip oder Theaterstück. (Das Theater als literarische
Ausdrucksform und Unterhaltungsmedium steht gerade vor einem grandiosen
Comeback, da es Spektakel zum anfassen bietet, das deutlich direkter und
vielfältiger daherkommt als Computerspiele, Filme oder Bücher)
Diese
dystopischen Unkenrufe von einer demnächst austrocknenden Literaturlandschaft,
halte ich für dummdreiste Panikmache.
Literatur –
Sprache und Geschichten – sind nichts, was sich für lange in irgendwelche
Kästchen sperren ließe. Weder Ideologen noch Monopole haben im Verlauf der
Geschichte je für länger vermocht die Vielfalt von Literatur einzudämmen oder
gar zu beherrschen.
Als Hitler im
Siegestaumel durch Paris fuhr, lasen seine Soldaten trotzdem überall Ernst
Jüngers „Marmorklippen“ und die meisten von ihnen wussten sehr genau weshalb.
Auf dem Höhepunkt
von Stalins Personenkult, fertigten abertausende Menschen überall im Ostblock
Abschriften von Orwells „Animal Farm“ an. Manche lernten den Text des Buches
sogar auswendig, um ihn in heimlichen Zusammenkünften in verrauchten
Hinterzimmern oder feuchten Wohnküchen zu rezitieren.
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